Das iPad (10. Generation)
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40 Podcast-Minuten räumten wir dem iPad (10. Generation) zu seinem Verkaufsstart ein. Knapp drei Monate später ziehe ich ein zweites Resümee, nachdem sich nun der Straßenpreis auf 500 EUR eingependelt hat.
Das sind 80 EUR weniger als Apple verlangt. Es liegt damit im Schnitt 150 EUR über dem Vorjahresmodell (2021) und ist exakt 150 EUR preiswerter als das „Mehrspaßdennje“-iPad Air (2022).
Mir ist das aktuelle Preisnetz der iPads zu engmaschig; die technischen Unterschiede zwischen Apples Tablets im mittleren Preissegment sind zu undurchsichtig. Beispielsweise koppelt sich das iPad (10. Generation) mit USB-C-Anschluss nur über einen „Adapter“ mit dem Pencil (1. Generation) aus dem Jahr 2015.
Der A14-Chip ist selbstverständlich ausreichend flott, rutscht aber nicht in die Voraussetzungen für Stage Manager. Dieses iPad unterstützt das brandneue Magic Keyboard Folio (mit Kickstand und Funktionstasten!), aber nicht das Magic Keyboard oder Smart Keyboard Folio, obwohl es den gleichen Smart Connector mitbringt – allerdings an anderer Position.
Die 10. Generation kommt in knalligen Farben und platziert die Frontkamera im Querformat mittig an der längeren Gehäuseseite. Kein anderes iPad zeigt sich so.
Es steckt im modernen (kantigen) Gehäuse mit Touch ID auf dem seitlichen Standby-Button. Damit eifert es dem iPad Air nach, vermisst allerdings das vollständig laminierte Display mit Antireflex-Beschichtung und seinem großen P3-Farbraum.
Dieses iPad Air aus dem Frühjahr 2022 unterstützt mehr WLAN-6-Bändern; das neue iPad funkt dagegen über moderneres Bluetooth 5.2.
Die Lautsprecher schallen nun im Querformat und sind damit eine deutliche Verbesserung gegenüber dem iPad der 9. Generation.
Der USB-C-Port im neuen iPad 10. Generation sieht dagegen genauso aus wie im iPad Air, spendiert bei der Datenübertragung jedoch nur eine schnarchige USB-2.0-Geschwindigkeit – so wie wir sie von iPads der 9. Generation über ihren Lightning-Anschluss gewohnt waren.
Die Krux bei allen diesen Unterschieden: Keins dieser iPads ist technisch schlecht. Es existieren drei 11”-Modelle, die sich im mittleren Preissegment tummeln, während sich das iPad Pro und iPad Mini mit ihren deutlichen Alleinstellungsmerkmalen aus dieser Rangelei heraushalten. Diese drei Modelle – das iPad 9. Generation, 10. Generation sowie iPad Air (2022), bilden in Bezug auf ihren Preis eine Stafette aus „nett“, „netter“ und „am nettesten“, lassen sich technisch aber nicht so einfach auseinanderklamüsern.
Das iPad 10. Generation fällt für mich primär deshalb in die Kategorie „netter“, weil ich sehr wählerisch bin, wenn’s um Displays geht. Der Screen hier sitzt entgegen den höherpreisigen iPads deutlicher unter dem Glass. Das nimmt ein wenig die Faszination, mit der eure Fingerspitzen die Pixel schubsen.
Bei Reflexionen von Sonnen- oder Studiolicht fällt die fehlende Beschichtung und das geringere Kontrastverhältnis auf – insbesondere bei Video.
Und trotzdem: Nur wenige andere Computer kommen mit einem so farbenfrohen und akkuraten Display, das 500 Nits hell ist, eine grandiose Pixeldichte zeigt und lediglich 500 EUR kostet – den ursprünglichen Startpreis, mit dem Steve Jobs diese Gerätekategorie im Jahr 2010 von der Leine ließ.
Allerdings vermisst das iPad 10. Generation die Bildschirmskalierung („Anzeigezoom“), die mit iPadOS 16 zu einer meiner absoluten Lieblingseinstellungen auf dem iPad Pro und iPad Air avancierte. Meine Augen sind (mit Brille) noch gut genug, die höhere Informationsdichte aufzunehmen und mit Pencil und Pointer alle geschrumpften Menüs zu treffen.
Und weil das iPad 10. Generation seine Pixel nicht so klein zieht, stibitzt es damit auch dem Pencil und Magic Keyboard Folio ein wenig seinen Reiz. Stift und Tastatur empfinde ich bei diesem iPad tatsächlich als optionales Zubehör.
iPadOS kommt natürlich exzellent ohne diese teuren Eingabegeräte aus. Das Zubehör ist nicht notwendig, um das Gerät voll auszunutzen.
Die Tastatur addiert obendrein deutlich Gewicht und Gehäusedicke. Sie ist zweiteilig, lässt sich abziehen oder nach hinten umklappen, nimmt mit ihrem Kickstand aber viel Platz auf kleinen (Flugzeug-)Tischen ein. Hier ist das Magic Keyboard sparsamer, funktioniert durch den versetzten Smart Connector jedoch nicht an diesem Modell.
Der Apple Pencil (1. Generation) haftet und lädt bekanntlich nicht magnetisch am Gehäuse. Man muss es separat mitnehmen. Wer primär ein Tablet zum Zeichnen und Skizzieren kauft, braucht nicht den Umweg über den Logitech Crayon auszuprobieren, sondern entscheidet sich mit dieser Priorität für ein iPad, das den Apple Pencil (2. Generation) unterstützt.
Natürlich stimmt die generelle Entscheidung, das Zubehör als zusätzliche Option überhaupt anzubieten. iPads passen sich so verschiedenen Arbeitsumgebungen und Lebenslagen an; deshalb sind sie so universell einsetzbar. Man bezahlt diese Accessoires jedoch nicht direkt beim Computer-Kauf mit, und shoppt sie lediglich bei Bedarf (später) nach. Das ist teilweise (noch?) unverständlich für uns ältere Generationen, aber „The kids will be alright“.
Das iPad 10. Generation ist auch ohne Pencil und Pointer ein vollständiger, schlanker und leistungsstarker Computer.
Und das ist für dieses iPad auch meine Empfehlung: Ohne Zubehör ist das iPad 10. Generation nämlich der zweitpreiswerteste Apple-Computer. Gegenüber der 9. Generation springt es mit seinem modernen Design aber auf die Höhe der Zeit.
Das war überfällig und wäre mir bereits den Aufpreis wert. Hinzu kommt aber noch das etwas größeres Display, der zukunftssichere USB-C-Anschluss und die deutlich besseren Kameras. Die rückseitige Kamera nimmt Videos in einer 4K-Auflösung auf; die Positionierung der Frontkamera macht es zu einer besseren FaceTime-Maschine. Außerdem ist es nicht nur als Silberrücken, sondern zusätzlich in den kräftigen Farbtönen pink, blau und gelb erhältlich.
Apple vermarktet dieses Modell als „Alleskönner, Zeichentalent und Wunderding“. Und das stimmt, obwohl der Marketingspruch besser zu den teureren Modellen passt, die das bessere Zubehör nutzen. Das iPad 10. Generation ist ein modernes Basismodell, das für 500 EUR stolz auf sein Preis-Leistungs-Verhältnis schaut.