Der PX von Bowers & Wilkins
Der PX von Bowers & Wilkins (399 €) ist keine Konkurrenz für Apples AirPods. Es ist ein komplett anderer Kopfhörer. Er ist in allen Belangen nämlich ein mächtiger Kopfhörer. Er stülpt sich nicht unbemerkt über die Ohrmuscheln, sondern er nimmt darauf regelrecht Platz. Das ballistische Nylon auf dem Kopfhörerbügel und den Ohrstücken sowie das Leder der Ohrposter wollen auffallen. Der PX ist ein Statement.
Der PX ist ein Kopfhörer, der sich seine Situationen aussucht. Schon aufgrund der Abmessungen wirft man ihn nicht gedankenlos in die Tasche – dort nimmt er nämlich ordentlich Raum ein. Es ist zwar ein kabelloser Kopfhörer (der auch kabelgebunden benutzt werden kann), sein Schwerpunkt liegt trotzdem auf der Klangqualität (und der Geräuschunterdrückung).
Ich habe ihn in den letzten Wochen in allen Situationen benutzt, in die er in meinen Alltag passte. Dabei hat er seine Stärken besonders im Zusammenspiel mit dem Apple TV und Filmen ausgespielt, war obendrein aber auch ein exzellenter Begleiter auf zwei Flugreisen. Beim Arbeiten am iPad und für jeden Commute bevorzuge ich jedoch weiterhin ein ultra-kompaktes Headset. Spricht: die AirPods.
„Der Spaß beginnt beim Aufsetzen.“
Das klingt kitschig und wäre ein passender Satz für die dazugehörige Werbebroschüre, aber ich meine es ernst: Dieses gedämpfte Mechanik, mit dem man die Bügellänge verkürzt oder erweitert, wirkt auch nach mehren Wochen noch „oddly satisfying”. In den Bügeln hat Bowers & Wilkens teilweise sichtbar das Nylon-Kabel verlegt, dass die zwei Ohrstücke miteinander verbindet. Zu keinem Zeitpunkt und in keiner Ausziehlänge hebt sich dieses Stück sichtbares Kabel von seiner Aussparung. An solchen Details könnte ich mich ergötzen, verbleibe für den Moment aber mit dem kurzen Fazit: Die Verarbeitungsqualität ist erstklassig.
Ich hatte den PX bis jetzt nur ein paar Wochen, aber ich bin mir sicher, dass die Lebenszeit des Kopfhörers aufgrund der Hardware-Qualität sehr lange sein wird (die Ohrposter werden magnetisch in Position gehalten und lassen sich demnach leicht wechseln).
Die vergangenen Generationen der Bowers & Wilkins-Kopfhörer zeichneten sich durch ein eckiges Ohrmuschel-Design aus (P9 Signature, P5 Wireless, etc.). Der PX ist das erste Modell mit ovalförmigen Lederpolstern. Damit sitzt er weniger klotzig auf den Ohren (ein ausdrückliches Lob dafür!), drückt mir aber trotzdem nach ungefähr 3 bis 4 Stunden Dauereinsatz aufs Brillengestell.
Ein einzigen Film am Apple TV schaue ich damit bequem; die letzte Stunde eines zweiten Movies in typischer Hollywood-Filmlänge wird jedoch reproduzierbar ungemütlich – ohne Brille habe ich diese Probleme nicht. Trotzdem bleibt es insgesamt ein straffer Sitz, mit dem der PX meinen Kopf umschließt (Abschütteln unmöglich!)
Ums Thema Klangqualität drücke ich mich (wie gewohnt). Mir fiel jedoch auf, dass die Treiber den Sound nicht direkt aufs Trommelfell schicken, ihn aber einkesseln. Damit wirkt der Klang kräftig, aber nicht gedrückt.
Der potenzielle Lautstärkepegel ist übrigens enorm. Mein Limit liegt maximal bei der Hälfte der iOS-Lautstärkeanzeige. Unterm Strich sage ich nur soviel: In seiner Preisklasse – rund um 400 Euro – habe ich bislang nur eine Handvoll Kopfhörer ausprobiert – empfinde den PX dort aber als schlicht exzellent.
Und da man den PX nur selten in geräusch-neutralen Situationen aufsetzt, empfinde ich eine überzeugende Geräuschunterdrückung als sogar wichtiger. Im Flugzeug war diese zweimal unersetzlich; aber auch Zuhause konnte ich davon profitieren.
Ein Beispiel: Mit Kindern wäscht man nahezu täglich Kleidung. Teilweise verschieben sich solche Haushaltsaktivitäten in den Abend. Unsere Waschmaschine ist deutlich im Wohnzimmer zu hören. Mit einem Knopfdruck auf die dedizierte Taste für ‚Noise Canceling‘ holt man sich die absolute Stille auf die Ohren. Es ist fast ein bisschen beängstigend, wie gut die Umgebung von unerwünschten Geräuschen gefiltert wird.
Mit den PX habe ich tatsächlich die Angst, dass hinter mir die Welt untergeht und ich unter den Kopfhörer davon nichts mitbekomme. Diese Angst ist jedoch unbegründet, weil der PX unterschiedliche Stufen der Rauschunterdrückung anbietet. Wer feinjustieren will, greift zur App (die sehr beschämend im Jahr 2018 noch nicht fürs iPad angepasst wurde).
Pluspunkte sammelt der PX ohne Frage für seinen USB-C-Ladeanschluss. Richtig gelesen: USB-C! Da die offizielle Batterielaufzeit jedoch bei 22 Stunden liegt (mit aktivierter Rauschunterdrückung!), braucht es das Stromkabel nicht häufig. Ich habe den Kopfhörer in den ersten Wochen extensiv genutzt und dabei überhaupt keinen Gedanken an das automatische Standby-Feature oder insgesamt die Laufzeit verschwendet. Im Schnitt musste ich nach 1.5 Wochen einmal nachladen. Sprich: Für längere Wochenendausflüge oder überschaubare Geschäftsreise muss man definitiv kein Ladegerät mitnehmen (obwohl man USB-C dieser Tage wahrscheinlich eh im Koffer hat).
Der PX bringt ein Pärchen von Sensoren mit, die durch Anheben der Ohrmuschel eure Musikwiedergabe pausieren. Nett, aber unpraktisch, weil sich diese Sensoren ziemlich leicht überlisten lassen wenn der Kopfhörer nur um den Hals baumelt. Ich habe diese Option in der App nach dem Ausprobieren wieder abgeschaltet.
Es ist sicherlich unfair den PX auf ein einziges Verkaufsargument zu reduzieren. Wenn man das jedoch tut, ist es eindeutig die adaptive Geräuschunterdrückung. Der PX filtert nicht so radikal wie einige seiner Mitbewerber, sondern achtet auf eine möglichst unverfälschte Musikwiedergabe. Und das gelingt: Teilweise gefielen mir Musiktitel sogar besser mit eingeschalteter Geräuschunterdrückung – was ich so noch nicht erlebt habe.