Das iPhone 7 und iPhone 7 Plus
Jedes Jahr fällt es mir schwer, diesen Artikel hier, der ein paar fundierte Gedanken zum neuen iPhone festhält, nicht gleich wenige Tage nach dem Verkaufsstart zu schreiben. Jedes Jahr rumort der Drang nach einem längeren Blogpost in mir. Jedes Jahr halte ich das iPhone direkt am Release in den Händen, und jedes Mal muss ich mich beherrschen, weil ich weiß, dass ein Ersteindruck nie an die Erfahrung von ein paar Wochen heranreicht.
In diesem Jahr war mein Verlangen, nicht sofort an Tag eins mit einem Artikel dabeizusein, nicht ganz so groß. Mit Ausnahme der US-Presse und einer Handvoll deutscher Medienhäuser, die ein Vorabexemplar bekamen, war ich am 16. September – Freitagmorgen, zur Frühstückszeit – mit einem ‚Hands on‘-Video dabei. Ein ‚Hands on‘ mit Liebe zum Detail, wie ich auch rückblickend noch finde.
Doch der Wunsch, meine Gedanken auch zeitnah auf Papier zu bringen, bleibt. Obwohl mir vollkommen bewusst ist, dass ihr hier a) ohnehin wohlinformiert seid und b) das iPhone ein ganzjähriger Verkaufsschlager wird. Das bedeutet: Auch im anstehenden Winter und im nächsten Frühling geht das iPhone 7 (Plus) noch über die Verkaufstresen – millionenfach.
Wer dann, im Sommer 2017, über diesen Artikel hier stolpert, sei gegrüsst. Diese Eindrücke zum iPhone 7 und 7 Plus entstanden nach den ersten fünf (intensiven) Wochen mit beiden neuen Telefonen, die sich mittlerweile einen Platz in meinem Alltag gesucht haben.
Having said that…los geht’s.
Jedes Jahr erstaunt es mich erneut, wie vornehmlich zurückhaltend Apple mit den Ankündigungen seiner Telefone umgeht. Apple veröffentlicht keine Teaser, keine mysteriösen Plakate und keine geheimnisvollen Bilder, die markante Gehäuse-Umrisse zeigen.
Apple kündigt auch seine Events, auf denen das nächste (weltweit meistverkaufte) Smartphone vorgestellt wird, nicht mit viel Tamtam an, sondern zuerst nur über eine Handvoll Pressevertreter. Auch wenn das Datum bekannt ist: Es folgt keine Rundmail an die Medien, die offiziell über den Termin informiert. Obendrein verstecken sie kaum Hinweise von neuen Funktionen oder hinterlegen die digitale Flyer-Einladung mit aussagekräftigen Motiven1.
Die Chefetage spricht in Interviews (natürlich) nie über zukünftige Produkte, klammert aber auch eigene Veranstaltungen aus. Clevere Journalisten sparen sich die Fragen danach.
Das alles bedeutet jedoch nicht, dass Apple die Erwartungen and die Veranstaltung und seine Produkte, ignoriert. Ganz im Gegenteil: Apple spielt mit den Annahmen und Aussichten der Kunden sehr genau. Speziell im letzten Jahr mehrten sich die bewusst platzierten Leaks bei Bloomberg oder im Wall Street Journal. „According to people familiar with the situation“ versuchten in den letzten zehn Monaten unübersehbar auf das Thema ‚fehlender Kopfhöreranschluss‘ vorzubereiten.
Apple stand es in diesem Fall gut zu Gesicht diese Information vorab zu veröffentlichen – niemand sollte davon überrascht werden. Getreu dem Motto: „under-promise and over-deliver.”
Wenn die Prototypen finalisiert sind und die tatsächliche Fertigung anläuft, sind Fotos von der Produktionsstrasse ohnehin nicht zu vermeiden – dafür ist die schiere Anzahl an bestellten Telefonen mittlerweile einfach zu hoch. In diesem Jahr war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits allen klar: Der 3.5-Millimeter-Klinkenanschluss fliegt raus. Es war kein Gerücht, es war ein Fakt. Und jeder, der am 9. September in der Keynote saß, sowie alle Zuschauer, die per Stream eingeschaltet hatten, wusste das.
Trotzdem verstolperte Phil Schiller seinen Monolog über „Courage“. Obwohl niemand überrascht war, dass der alte Anschluss im neuen iPhone fehlt, perlte die leicht überhebliche Präsentation über Mut und Tapferkeit ab. Sie war ein gefundenes Fressen für alle, die ohnehin keine Erklärung hätten gelten lassen warum das iPhone 7 auf den alten Klinkenanschluss verzichtet. Trotzdem hätte er dieses Thema graziöser schaukeln können.
Klinke raus, Lightning rein
Die ruppige Keynote-Präsentation verwunderte, weil Apple das Thema ansonsten mit Samthandschuhen anfasst. Sie legen einen Adapter in jede iPhone-Kiste. Ich hätte das nie für möglich gehalten und hatte dagegen sogar Wetten laufen (und alle verloren, wie sich jetzt herausstellt).
Meine Vermutung war, dass ein Adapter die falsche Message transportiert. Die Beilage eines Klinkenadapters sagt: Kopfhörer mit Kabeln sind zukünftig noch relevant. Für Apple sind sie das nicht mehr. Ein beigelegter Dongle verwässert das Statement. Was ich jedoch nicht auf der Rechnung hatte, waren die verzögerten AirPods…
Die AirPods erscheinen offiziell erst „Ende Oktober“ – eineinhalb Monate nach dem iPhone-Start. Und so ungewöhnlich dieser verschleppte Verkaufsstart ist, so sehr bin ich davon überzeugt, dass der Hype um die neuen komplett kabellosen Ohrstecker das Vakuum, dass der fehlende Kopfhöreranschluss hätte einnehmen wollen, galant vermeidet (und damit viel Wind aus den Segeln der Kritiker nimmt).
Ich unterstelle Apple keine Absicht, aber es spielt ihnen gewiss nicht unglücklich in die Karten, wenn eine der finalen Komponente der tollen neuen kabellosen Zukunft erst noch kommt. Heute, fünf Wochen nach dem Release, ist das Thema ‚Klinkenanschluss‘ gefühlt ad acta gelegt.
Und obendrein ist klar: Es sind die AirPods, die Apple in ein paar Jahren dem iPhone als Kopfhörer beilegen möchte. Noch lässt sich der Einzelpreis der Ohrstecker nicht sinnvoll in den Anschaffungspreis des Telefons einmassieren, aber ich wette, wir sind davon nur ein paar iPhone-Generationen entfernt.
Abschließend sei dazu gesagt: Der Dongle ist kein hingeschludertes Produkt, sondern bekam das gleiche Maß an hoher Aufmerksamkeit. Klinkenkopfhörer schmettern nachweislich keinen Deut schlechter über den Adapter. Außerdem lässt er sich für nur 9 Euro nachkaufen – ein Schnäppchen im Apple (Online) Store.
Das Display
Wenn man sich in ein solches Verkaufsgeschäft begibt, fallen zuerst die neuen Farben Schwarztöne der Rückseite auf. Ich hatte gleich in der ersten Woche die Möglichkeit ein paar Minuten mit allen Farbvarianten zu verbringen – inklusive Diamantschwarz. Materialtechnisch ist das beeindruckend; ich tendiere in diesem Jahr aber zum matten Schwarz. Nicht weil es (eventuell) weniger verkratzt und nicht weil es weniger Fingerabdrücke annimmt, sondern weil es für mich besser (vielleicht vertrauter) in der Hand liegt.
Die wesentlich wichtigere Diskussion um die Farben findet jedoch auf der anderen Seite des Telefons statt – auf dem Bildschirm. Der größere Farbumfang ist nicht nur ein Vermerk auf dem technischen Datenblatt, sondern ein Qualitätsmerkmal, das man jeden Tag bemerkt.
Nein, stopp! So stimmt das nicht. Beim direkten Wechseln von einem älteren iPhone auf ein neues iPhone 7 sticht der Unterschied ins Auge registriert man den realistischen DCI-P3-Farbraum sofort. Mit der Zeit gewöhnt sich das Auge aber an die gehobene Qualität und stolpert nur noch dann darüber wenn man mal wieder ein iPhone 6(s) in die Hand nimmt.
Ja, die Messwerte bestätigen den Qualitätssprung. Um ihn jedoch bewusst wahrzunehmen, reicht keine Beschreibung. Das bessere (und zudem 25% hellere) Display alleine rechtfertigt für mich das Upgrade aufs iPhone 7 (Plus).
Die Kamera(s)
Es ist nicht nur der Bildschirm, der Fotos mit dieser Qualität anzeigt. Es ist natürlich auch die Kamera, die Fotos in dieser besseren Qualität aufnimmt.
In puncto Kameras ist der Vergleich zwischen den beiden iPhone-Modellen interessant, weil die ‚iSight Duo‘ – die rückseitige Doppel-Kamera im Plus-Modell, den Anschein erweckt bedeutend leistungsstärker zu sein. In der Praxis gilt das aber nur begrenzt.
Ich hole ein wenig aus…
Das iPhone 6s musste im letzten Jahr auf die optische Bildstabilisierung verzichten. Für mich kam aus diesem Grund deshalb nur das iPhone 6s Plus – als mein persönliches Telefon – in Betracht. Egal ob bei Fotos oder Videos: Auf eine Bildstabilisierung wollte ich nicht verzichten. Alleine der Gedanke, die bestmögliche Kamera zugunsten der Gehäusegröße aufzugeben, war für mich absurd.
In diesem Jahr bekam auch das 4,7”-Modell eine optische Bildstabilisierung – identisch zum 5,5”-Telefon. Die zweite Kamera im 7 Plus muss auf die wackelfrei Technik verzichten, was sehr deutlich beim Wechsel auf das zweite Objektiv – das Teleobjektiv – auffällt. Nur bei gutem Tageslicht und einem zitterfreien Händchen ist der Zoom wirklich hilfreich.
Keine Frage: Die Spielchen, die Apple mit dem Porträt-Mode zeigt (und zukünftig noch zeigen wird), sind beeindruckend. Trotzdem lässt sich festhalten: Das iPhone 7 ist in diesem Jahr auf Augenhöhe mit seinem Plus-Bruder. Und da Fotos ein essentieller Bestandteil in der Nutzung von einem iPhone sind, ist das sehr erfreulich. Oder kürzer: Während ich mich schwer tat ein iPhone 6s gegenüber einem iPhone 6s Plus zu empfehlen, ist das aus Perspektive der Kamera in dieser Generation kein Problem mehr.
Kurze Randnotiz: Das Upgrade der vorderseitigen FaceTime HD Kamera auf 1080p wertet nicht nur Selbstporträts auf, sondern hilft auch beim Videobloggen. Speziell wer dafür einen Gimbal nutzt, bedankt sich.
Der Homebutton
Nach einer ersten Eingewöhnungszeit fühlt sich der neue (gefakte) Homebutton unter meinen beiden Daumen besser an als sein mechanischer Vorgänger. Bis es jedoch richtig klickt, dauerte es bei mir ein paar Wochen. Der Button reagiert schneller, fühlt sich besser an und macht schlicht mehr Spaß.
Verantwortlich ist dafür die neue Taptic Engine – mein geheimes iPhone-Lieblingsfeatures in diesem Jahr. Ich würde mir diese dezenten Rückmeldungen vom System an noch viel mehr Stellen wünschen – beispielsweise beim systemweiten Tippen auf der iOS-Tastatur.
Die Mikro-Vibrationen sind eine neue Ebene von Feedback, die man vorher so nicht kannte. Dreht man in der iOS-Kalender-App am Datums-Rad, rüttelt jeder Sprung auf einen neuen Tag ganz dezent und gibt damit eine Rückmeldung, die sich nicht nur sehen, sondern auch fühlen lässt.
Und das beste an der Geschichte: Diese Erweiterung hält Apple nicht verschlossen. Die Schnittstelle zur neuen Taptic Engine liegt offen und wir sehen bereits nach den ersten Wochen einige App-Updates, die mit dem Schüttel-Chip arbeiten.
Die Kritik
Meine Kritikpunkte am iPhone 7 (Plus) zeigen sich verstreut über unterschiedliche Kategorien. Aus diesem Grund fasse ich sie in diesem Jahr einmal gesammelt zusammen.
- Die Batterielaufzeit wurde zwar (leicht) gesteigert; Quick- bzw. Fast-Charging fehlt aber immer noch schmerzlich. Googles Pixel, das in dieser Woche in den Verkauf startet, lädt das Telefon in nur 15 Minuten soweit auf, dass man damit die nächsten 7 Stunden verbringen kann. Das iPhone braucht ein solches Feature.
- Fünf Wochen blicke ich erst auf iPhone-Fotos mit DCI-P3-Farbraum und lasse es mir trotzdem nicht nehmen zu bemängeln, das es kein True-Tone-Display ist, dass sich wie im 9,7″ iPad Pro ans Umgebungslicht anpasst.
- Apropos Fotos: Mit dem Teleobjektiv im 7-Plus ändert sich die Benutzung der Kamera. Ich habe nie den digitalen Zoom der iPhone-Knipse bemüht, zoome mich mit dem 2x optischen Zoom des Plus-Modells nun aber überraschend häufig ans Geschehen heran. Dem Teleobjektiv fehlt allerdings die optische Bildstabilisierung, und das fällt deutlich auf.
- Services. Auch in diesem Jahr muss man Apple auf die Finger hauen für seinen lächerlich 5 GB-iCloud-Gratis-Speicher. Wenn Tim Cook 36 Euro im Jahr von seinen Kunden für 200 GB verlangt, müssen diese Kosten auch in den Verkaufspreis der 760-Euro-Hardware unterzubringen sein. Die meisten Kunden brauchen nicht viel Speicher – „unlimited“ schon gar nicht. Apple hält durch diese mickrige Bezahlschranke von 3 Euro im Monat jedoch Kunden generell von iCloud-Backups fern und unterbindet das Ausprobieren der hervorragenden iCloud-Mediathek. Das muss sich ändern.
Ein Fazit
Schaut man auf die Details, bietet das iPhone 7 (Plus) selbst für Kunden mit iPhone 6(s) Plus eine Handvoll triftiger Upgrade-Gründe. Angefangen beim helleren Bildschirm mit einem größeren Farbumfang, dem Spritzwasserschutz, der optischen Bildstabilisierung, die in diesem Jahr auch im kleineren Modell die Aufnahmen wackelfrei zieht sowie den Stereo-Lautsprechern und der längeren Akkulaufzeit.
Realistischer ist natürlich ein Hardware-Vergleich mit Kunden und Kundinnen, die noch ein älteres iPhone benutzen und bei denen der Wechsel auf ein iPhone 7 (Plus) einen noch viel größeren Sprung darstellt.
Aber: „Mein (altes) iPhone ist doch noch gut genug?!”
Natürlich. Natürlich kann man für sich selbst in Anspruch nehmen, dass der Kompromiss zwischen Anschaffungspreis und Leistung nicht groß genug ausfällt um jedes Jahr auf das jeweils neue Modell zu wechseln. Natürlich.
Was jedoch nicht gilt sind Aussagen wie: „Dein (altes) iPhone ist doch noch gut genug?!“.
Die Techniksprünge, die wir jährlich verfolgen, sind groß. Der Fortschritt mag nicht mehr so allumfassend und für jeden zutreffend ausfallen wie in den letzten Generationen, aber er steigert sich zum Teil noch exponentiell – Jahr für Jahr.
Nehmen wir nur die Grafik- und Prozessor-Power der neuen iPhones, die eine wesentlich leistungsstärkere Software ermöglichen. Es ist eins von vielen Merkmalen, die die beeindruckende Beständigkeit aufzeigen, mit der sich iPhones gebetsmühlenartig alle 12 Monate verbessern um Generation für Generation noch ne’ Schippe draufzulegen.
Ich freue mich ungemein auf diesen Herbst, den anstehenden Winter, den kommenden Frühling und nächsten Sommer mit dem neuen iPhone 7 (Plus).
- Obwohl dies natürlich nicht von wilden Spekulationen abhält. ↩