’skobbler‘ sägt Android-Navi ab und steht dazu Rede und Antwort
Skobbler, ein Technologie-Start-up mit Firmensitz in Berlin, zog im Oktober 2009 mit einer Navigationssoftware in den App Store. Vorgestern erklärte das Unternehmen im Blog und per Pressemitteilung, dass die seit Sommer 2010 veröffentlichte Android-Version eingestellt wird. Begründet wurde die Entscheidung mit: „Bezahl-Apps auf Android [sind] derzeit aus skobbler-Sicht nicht rentabel„.
Ohne die aufgeworfenen Behauptungen zu hinterfragen, vervielfältigte sich (wie gewohnt) die ‚News‘ im Netz. Mir kam das Statement gegenüber der Thematik zu populistisch aufbereitet vor und schien lediglich aufs mundgerechte Nachplappern ausgerichtet.
Marcus Thielking, einer der Gründer von skobbler, beantwortete mir ein Bündel an Nachfragen, die sowohl meine Kritik der vereinfachten Darstellung zum Ausdruck bringen sollen, aber auch zusätzliche Einblicke ins Spannungsfeld der zwei mobilen Betriebssysteme liefert.
Alexander Olma: Auf welche Quelle beziehen Sie sich mit dieser Aussage: „Googles mobiles Betriebssystem Android hat bei der weltweit verbreiteten Stückzahl Apples iOS den ersten Rang abgelaufen.„?
- Marcus Thielking: Wir treffen unsere geschäftlichen Entscheidungen auf der Grundlage aller uns vorliegenden Marktkenntnisse, die sich aus einer Vielzahl von Quellen ergeben – ein Beispiel dazu: http://historilla.com/smartphone-and-app-growth.
Direkt anschließend darf ich Sie zitieren mit: „Dennoch gibt skobbler, der Entwickler der erfolgreichsten deutschen App des Jahres 2011, bekannt, seine eigene Navigationsapp nur noch für Apples iTunes-App-Store weiterzuentwickeln.“ Auch hier fände ich es spannend zu erfahren, welche Fakten den Titel der „erfolgreichsten deutschen App des Jahres 2011“ bestimmen.
- Im „App Store Rewind 2011“ nannte Apple die erfolgreichsten Apps des Jahres im deutschen iTunes-Store. Dort lag „GPS Navigation 2“ von skobbler auf Platz 9 unter den meistgekauften Bezahl-Apps des Jahres und war damit als einzige deutsche App unter den Top10 vertreten, die ansonsten wie üblich von amerikanischen Apps dominiert wurden. Zudem zeigt Apple auch aktuell GPS Navigation 2 als beste „deutsche“ App auf Platz 6 der Top25-Kauf-Apps im Rahmen der 25 Mrd.-Downloads-Aktion.
Im Beschreibungstext ihrer Android-Anwendung werben Sie mit den Worten „best-selling navigation app in serveral countries for months.“ Ist es Ihnen möglich diese Behauptung mit ein paar eigenen Download- oder Verkaufs-Zahlen zu unterfüttern? Konkurrenten wie TomTom, Sygic oder Navigon liegen allesamt preislich (erheblich) über Ihrer Android-Software, weisen allerdings (erheblich) mehr Bewertungen auf und ließen bislang noch nicht verlauten, dass das Android-Geschäft vergleichsweise schlecht läuft.
- Die Aussage basiert auf allen Marktdaten, die uns zur Verfügung stehen. Unsere Navi-App wurde in allen Versionen und Plattformen insgesamt über 2,2 Millionen mal heruntergeladen und stand fast das ganze Jahr 2011 hindurch – wie auch heute – in der Navi-Kategorie des App-Stores auf Platz 1. Dass teure Premium-Navis eine höhere Zahl an Bewertungen haben, ist nicht unbedingt verwunderlich: Wer viel Geld für eine App ausgibt, hat auch eine höhere Motivation, Kritik oder Lob zu äußern.
Die „wirtschaftliche Sinnhaftigkeit“ durch den „übermächtigen Wettbewerber“ Google mit seiner „kostenlosen Turn-by-Turn-Navigation“ würde mich näher interessieren. ‚Google Maps navigation‘ existiert seit 2009 in den USA und erreichte Europa im April 2010. Die Android-Version von skobbler startete in Deutschland meines Wissens im Sommer 2010. Was hat sich gegenüber der damaligen Konkurrenz-Situation, in die bereits gestartet wurde, jetzt geändert?
- Wir glauben, dass Android viel Potenzial bietet, und auch der offene Ansatz ist uns sehr sympathisch. Als wir die Android-App damals entwickelten, kam Google fast gleichzeitig kostenlos auf den Markt. Dieser negative Marktimpuls machte es uns schwer, im Androidmarkt Fuß zu fassen – obwohl unsere App durchaus ordentlich heruntergeladen und genutzt wurde. Wir haben dann vergeblich darauf gehofft, dass im Android Market eine Zahlungsbereitschaft entsteht, die mit dem Apple-Umfeld vergleichbar ist. Wenn man dann noch bedenkt, dass die Entwicklung einer komplett neuen Produktversion (analog GPS Navi 2) für die vielen, fragmentierten Android-Versionen sehr aufwendig ist, wird man unsere Entscheidung nachvollziehen können. Trotzdem verfolgen wir weiter den Ansatz, die OpenStreetMap für die Android-Plattform zu erschließen. Damit beziehen wir uns sowohl auf Kartentechnologie für Dritte als auch auf eigene Apps abseits der Autonavigation.
Sie schreiben: „Bereitschaft zum Download von bezahlten Apps bei Android-Nutzern [ist] deutlich schwächer ausgeprägt als bei iOS-Nutzern„. Ihre iPhone-App kostet aktuell im deutschen App Store 1.59 € (iTunes-Link); die gleichnamige Android-Version wurde kostenlos angeboten, oder täusche ich mich da?
- Sie haben Recht. Auf Basis der von Ihnen zitierten Annahme haben wir uns auch damals zu dem kostenlosen Ansatz entschlossen. Spätestens durch den beinahe gleichzeitigen Eintritt der Google Maps Navigation hatte sich die Frage für unsere Online-Navi-App mit Basisumfang dann auch endgültig erledigt.
Als Letztes würde ich gerne Ihre zitierte Quelle für die Unterscheidung zwischen Android und iOS hinterfragen. ‚Mobile Zeitgeist‘ zieht (meiner Meinung nach sehr vereinfachte) Rückschlüsse eines einzelnen Statistik-Anbieters, dessen ‚All-Time‘-Charts gerade erst am vergangenen Freitag, durch Apples eigene Auflistung, zu großen Teilen widersprochen wurde. Ihr englischsprachiger Blogbeitrag zur heutigen Meldung zitiert GigaOM mit einem Artikel, der bereits 10 Monate alt ist. Ohne hier ins Detail zu gehen frage ich mich generell, warum Sie keine eigenen Zahlen vorlegen, die den Unterschied der beiden mobilen Betriebssysteme deutlich machen und Ihre „wirtschaftliche“ Entscheidung, ’skobbler Navigation‘ für Android nicht weiterzuentwickeln, darstellen?
- Wo auch immer Sie hinsehen, Sie werden bei jedem Anbieter unterschiedliche Zahlen finden, je nach Herkunft und Interesse des Unternehmens. Wir möchten dieses Spiel nicht mitspielen, denn es ist nicht unser Geschäft, die validesten Zahlen herauszugeben. Wir entwickeln Apps, und wir müssen diese Leistung wie jedes andere Unternehmen auch durch Umsätze gegenfinanzieren. Bei unserer Marktbetrachtung beziehen wir aus nachvollziehbaren Gründen (siehe auch die vorigen Punkte) nicht nur eigene Erfahrungswerte mit ein, sondern bedienen uns auch vieler anderer Quellen (z.B. Marktanalysen, Erfahrungen anderer Entwickler). Wenn unsere Marktbeobachtung uns irgendwann annehmen lässt, dass wir auch eine Android-Navi wirtschaftlich sinnvoll vertreiben können, dann werden wir das tun. Bis dahin konzentrieren wir uns auf Android auf die Weiterentwicklung unserer OpenStreetMap-Kartentechnologie und eigene Apps außerhalb der Autonavigation.
Vielen Dank für Ihre Zeit Herr Thielking!