Twitter startet Werbelauf
Im Ausklang der letzten Woche schob Twitter ein vermeintlich unscheinbares 3.3-Update durchs App-Store-Download-Rohr. Erst nach dem gewohnt unreflektierten ‚News-Geschrei‘ des Internets („wenn man über eine App schreibt, gilt es diese vorher auszuprobieren!„) bemerkte man das Kuckucksei, das uns der Kurzmitteilungsdienst damit gezwitschert hat.
Die offizielle Liste an Neuerungen klingt zuerst vielversprechend. Der flache Nachsatz im Blog-Beitrag ist es, der das Grauen verbirgt. Mit der ‚Quick Bar‘, einem derzeit exklusiven iPhone-Feature, quetschen sich üble ‚Trend‘- und ‚Promo‘-Tweets ans Kopfende des Zeitstrahls. Diese überlagern nicht nur optisch verwirrend das persönliche Kurzmitteilungs-Archiv (wer nicht abgelenkt werden möchte, lässt die App besser nicht geöffnet auf dem Schreibtisch liegen) sondern führt aus Sicht des Nutzers außerdem zu ungewollten ‚Klicks‘ (beispielsweise beim Nachladen von Tweets).
Ein Hashtag-Kosename war mit #dickbar schnell geboren. Natürlich verbreitet sich neben viel Spott auch entsprechendes Javascript, um die blickende Titelleiste gleichermaßen in sein eigenes Blog zu pappen. Und, wer hätte es gedacht, selbst konstruktive Lösungsansätze machten die Runde…
Mehr, als eine temporäre Abhilfe ist dies natürlich nicht. Früher oder später gilt es den offiziellen Aktualisierungen zu folgen. Nach Angaben vom Hersteller selbst, ist ‚Twitter for iPhone‚ (kostenlos; App Store-Link) der dritt-beliebteste Netzwerk-Zugang (nach Twitter.com und mobile.twitter.com). Machen wir uns daher nichts vor: Eine signifikante Änderung an diesem Programmcode ist kein gedankenloser Schritt. Ebenso wenig erfolgte die recht unpopuläre (Nachsatz-)Erwähnung im Blog-Beitrag sicherlich nicht ‚zufällig‘.
Neben der oben beschriebenen Implementation, ist generell das Interesse an ‚Trends‘ und ‚Werbe-Schaltungen‘ eher gering. Soweit lehne ich mich mit dieser Behauptung aus dem Fenster. Eine Option zum kompletten Deaktivieren fehlt. Auch mit Geld lässt sich, wie bei vielen anderen Apps, nichts erreichen. Twitter weiß natürlich warum. Mit der enormen Verbreitung und den dadurch erzielten Zielgruppen-Millionen, kommen Werbepreise zustande, die keine individuelle Einmalzahlung je decken können. Der ‚Einzelkauf‘ ist daher (auch zukünftig) sicherlich kein gangbarer Weg. Aber zählt das auch für ein monatliches Bezahl-Abo? Ohne Frage: Ich wäre ohne zu Zögern von einem (reklamefreien) Abonnenten-Zugang begeistert.
Aber soweit sind wir noch nicht. Noch lange nicht? Auch Twitter muss sein Geld verdienen – alleine schon für die Kapital-Sponsoren. Aber genau dies ist auch ihr gutes Recht. Der Service möchte in unser aller Interesse aufrecht erhalten werden. Daher ist der jetzige ‚Quick-Bar‘-Testlauf nur ein erstes Symptom der bevorstehenden Krankheit. Dessen Medizin steht im App Store mit unzähligen Alternativen* bereit. Echofon, Twitterrific und Co. lindern jedoch nur kurzfristig die Schmerzen. Auch sie können nur ausliefern, was sie von der Zentrale ‚verschrieben‘ bekommen.
Twitter sitzt am Hebel des Wasserschlauchs, der die Nachrichten strömen lässt. Oder auch die Reklame. Seit letztem Frühling liegt der ‚Werbeplan‚ vor. Es war ohnehin bereits verwunderlich, warum sich die Banner so lange in ihrem Nest versteckten. An ihrer Berechtigung gibt es keinen Zweifel. Nichtsdestotrotz: Sympathischer wäre eine Präsentation ausgefallen, die auf den Vorschlaghammer verzichtet hätte.
* Als Ersatz für die iPhone-Version, bin ich derzeit (mal wieder) auf Echofon Pro (3.99 €; App Store-Link) umgesattelt.