Vertagebucht: Day One 2 Journal + Notes
Die Älteren unter uns werden sich noch erinnern: Früher™ verteilten Software-Entwickler sogenannte Upgrades – ‚bezahlte Updates‘ für bestehende Apps. In den alten Tagen™ hielt man für neue Funktionen oder ein Bündle von Fehlerbehebungen tatsächlich noch einmal die Hand auf. Doch, wirklich! Einmal gekauft und kein lebenslanger Support.
Klingt verrückt, aber einige Firmen strickten daraus so etwas wie einen festen Upgrade-Zyklus. Sie planten regelrecht feste Veröffentlichungstermine für neue Versionen und stellten entsprechend Leute ein. Jedes neue Jahr oder jede weitere Release-Nummer wurde man so als Bestandskunde erneut zum Käufer. Get this: Selbst für neue Betriebssysteme musste man bezahlen – mit echten Euros!
Doch bevor ihr weiter aus allen Wolken™ fallt: Damals gab es einen Trick, der uns alle vor dem persönlichen Bankrott beschützte und trotzdem die Software-Entwicklung florieren ließ. Das Zauberwort lautete: Upgrade-Preise. Die Idee ist simpel: Wer die ausgemusterte Version einer Software besitzt, bezahlt für das Upgrade auf die aktuelle Version weniger als den Vollpreis. Klar, das war kompliziert (weil es Wissen über Seriennummern und Lizenzen abverlangte), umständlich (weil man das ursprüngliche Kaufdatum nachschlagen musste oder an eine Upgrade-Frist gebunden war) und oft unverständlich (weil der Kauf über einen dubiosen Webshop erfolgte, der sich außerhalb der App befand). Aber hey, es sparte Geld und im besten Fall musste man keine neue App installieren, sondern war in der Lage seine bereits installierte Anwendung direkt aufzuleveln.
Schnitt. Warum die längliche – unter Umständen nicht ganz bierernste – Einleitung? Und was hat das alles überhaupt mit Day One 2 zu tun?
Day One 2, ab heute neu für iOS (4.99 €) und den Mac (19.99 €), wäre geradezu prädestiniert für ein bezahltes Upgrade. Die heute veröffentlichte Version 2 befindet sich seit 24 Monaten in der Entwicklung und richtet sich in erster Linie an Kunden, die diese Tagebuch-App schätzen (und seine Entwicklung weiter unterstützen wollen).
Doch Upgrade-Preise gibt es im App Store bekanntlich nicht und das führt zu…Unbequemlichkeiten.
Diese Unbequemlichkeiten beginnen bereits beim Namen: Day One 2 klingt…nun ja, widersprüchlich. Doch zwei App-Store-Apps dürfen nun einmal nicht die gleiche Bezeichnung tragen. Deshalb blicken wir ab heute auf ein Day One Classic und ein Day One 2 Journal + Notes.
Doch so geht’s erst los. Durch die Abspaltung einer neuen App steht der Entwickler plötzlich vor der Frage wie er bequem eine bestehende Datenbank umsiedelt. Day One löst das Problem zwar elegant wenn beide Anwendungen installiert sind, investierte dort aber ganz gewiss einige Tage an Arbeit (die niemand wertschätzt oder für die niemand bereit ist zu zahlen).
Und so geht’s weiter. Nutzer sind vorrangig an (komplett) neuen Funktionen interessiert. Day One 2 ist aber mehr ein Verfeinern als das Umwerfen eines bestehenden Produkts. Der Unterbau ist neu geschrieben und stellt die App zukunftsfähig auf. Diese Arbeiten hinter der Bühne sind zwar notwendig um langfristig Software zu entwicklen, sie lassen sich aber nur schwer verkaufen.
Um einen finanziellen Upgrade-Anreiz zu schaffen, ohne die Möglichkeit zu besitzen einen Upgrade-Preis für Bestandskunden im App Store anzubieten, veräußert Bloom Build seine beiden neuen Apps in der nächsten Woche zum halben Preis. Eine gängige aber weiterhin unbefriedigende Lösung.
Genug der langen Vorrede, die keinesfalls als Rechtfertigung in Bezug auf Day One verstanden werden soll. Ich fand es jedoch wichtig den aktuellen Status quo einmal festzuhalten und die Schwierigkeiten zu nennen mit denen Entwickler ein großes App-Update veröffentlichen.
Doch jetzt, rein ins Produkt1.
Lange auf der Wunschliste: Day One 2 jongliert mit mehreren Journalen – eins für die Arbeit, eins für die Kinder und eins für die privaten Filmkritiken. Bislang habe ich Einträge, die ich ab heute in verschiedene Logbücher sortieren würde, über Schlagwörter getrennt. Wenn ich will, könnte damit jetzt Schluss sein. Über Schlagworte und Filter kann ich mit der neuen Version sogar mehrere Beitrag gleichzeitig verschieben.
Apropos Tagebucheinträge: Ein Beitrag kann jetzt bis zu 10 Fotos umfassen. Daneben bereitet die Anwendung euer Buch nun auch in Form einer Fotowand ansprechend auf und verortet alle Einträge nach ihrer Geo-Position auf einer Weltkarte.
Unverkennbar: Die Mac-Version rückt näher an seine iOS-Schwester-Software. Beide Apps ähneln sich mehr als zuvor. Das mag man positiv aufnehmen, ja. Für mich persönlich ist es aber ein weiterer Grund den iOS-Apps meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit zu schenken. Ich habe in der mehrjährigen Nutzung festgestellt, dass ich die Mac-App so gut wie nie starte. Das hat sich in den kurzen Test-Tagen mit Day One 2 auch nicht geändert. Ich schreibe meine persönlichen Geschichten bevorzugt mit dem iPhone und iPad auf. Deshalb lautet meine Empfehlung: Startet mit dieser Version.
Sync – oder die Geister, die ich rief.
Day One 2 synct über sein eigenes Backend – Dropbox und iCloud fallen mit der neuen Version raus. Das Feature ist nicht neu, ab sofort aber verpflichtend. Ich habe bereits im Sommer meinen Account umgestellt und empfand es technisch – insbesondere in puncto Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit – als einen angenehmen Unterschied (zu Dropbox).
Nichtsdestotrotz bleibt es ein problematischer Schritt, der weniger etwas mit der Technik zu tun hat, als mit der Wahrnehmung. Dropbox und iCloud genießen Vertrauen – für die einen mehr als für die anderen. Der Sync-Dienst einer kleinen Tagebuch-App (mit 11 Leuten), egal wie zuverlässig, verschlüsselt und jederzeit verfügbar er ist, bleibt immer der Sync-Dienst einer…kleinen Tagebuch-App.
Nochmal: Meine Erfahrungen sind uneingeschränkt positiv – auch beim Umzug von Day One Classic auf Day One 2 in dieser Woche. Und trotzdem kann ich es nachvollziehen wenn jemand seinen Datensatz gerne in seiner iCloud hätte.
„Dann bleibe ich doch einfach bei der alten Version, oder?“ Ja, nein. Die Classic-App bleibt zwar im App Store und soll weiterhin Bugfix-Updates erhalten, eine Langzeitlösung ist das aber nicht. Auf einer alten Version zu verweilen, sich darauf zu verlassen während der Entwickler bereits weitergezogen ist, endet selten glücklich.
Strich drunter
Day One 2 ist kein Homerun-Release. Vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen, aber nach fünf Jahren besteht diese neue Version aus ganz viel Grundlagenarbeit für die Zukunft und vermisst eine Handvoll detailverliebte Extras, die die App in der Gegenwart glänzen lassen.
Nichtsdestotrotz: Day One 2 bleibt für mich die beste Tagebuch-App, die ich jedes Mal mit Genuss öffne. Diese Software hat es geschafft, dass ich für meine Kids in unregelmäßigen Abständen festhalte, was wann und wo etwas passiert. Mein Tagebuch schreibe ich für sie. Ohne Day One hätte ich damit nicht begonnen, weil mir eine Vorlage, ein Rahmen für Gedanken und Erinnerungen, fehlen würde. Dafür hat die App bei mir ein Stein im Brett. Und deshalb trete ich informiert optimistisch den nächsten Updates und Versprechen über die bereits ausgeplauderten Neuerungen (Audio Recording, Places, Activity Feed, Night Mode, People Tags, Advanced Search, Publisher 2.0, etc.) entgegen.
- Gewöhnlich gibt’s hier immer eigene Screenshots. Im Fall meiner ganz persönlichen Tagebucheinträge habe ich mich jedoch entschieden, diesen Beitrag mit neutralen Pressefotos zu untermalen. ↩