Das iPhone 6s und 6s Plus
Ein iPhone ist teuer. Irrsinnig teuer. Mein Modell, das iPhone 6s Plus mit 128 GB – natürlich in Roségold – kostet 1069 Euro. Es ist das teuerste iPhone, das Apple in diesem Jahr anbietet.
Mit diesem Preisschild gehört es zu den größten einzelnen Investitionen, die ich pro Jahr tätige. Gleichzeitig ist es eine meiner jährlichen Ausgaben, die mir am leichtesten fällt. Nach fünf Wochen, die ich nun bereits mit dem neuen Modell verbracht habe, bestätigt sich diese Erfahrung abermals.
Beginnen wir beim Preis – ein Einstiegspunkt, so gut wie jeder andere.
Mit Ausnahme des iPhone Classic folgte jedes iPhone einer zweijährigen Design-Schleife: Auf das iPhone 3G folgte das iPhone 3GS; ein 4s sah aus wie sein Vorgänger, das iPhone 4. Das 5s trat in die optisch identischen Fußstapfen des iPhone 5. Und natürlich reiht sich das iPhone 6s – von Außen unverändert – neben das letztjährige iPhone 6 ein.
Der Rhythmus kommt nicht von ungefähr: Eine zweijährige Laufzeit räumt Ressourcen frei um sich auf clevere Features zu konzentrieren (anstelle das Gehäuse neu zu denken) und gönnt obendrein dem Zubehörmarkt mit Hüllen und Autohalterungen eine Pause.
Darüber hinaus passt der Hardware-Zyklus zur üblichen Vertragsbindung für Mobilfunkkunden. Verträge über 24 Monate mit Hardware-Subventionen sind zwar eine aussterbende Idee, derzeit aber schlicht noch Realität.
Es verwundert nicht, das Apples iPhone Upgrade Program (in den USA) auf großen Anklang stößt. Das „iPhone im (jährlichen) Abo“ – als Leasing sozusagen – ist ein zeitgemäßes Konzept.
Zwei Gründe:
- iPhones werden mit jedem neuen Jahr so viel besser. Nicht als Telefon und nicht als Taschencomputer, sondern als unser persönlichster Rechner.
- Mit iPhones verbringen wir den Bärenanteil unserer täglichen Computerzeit.
Um mich zu wiederholen: iPhones sind teuer. Irrsinnig teuer. Doch das ist nur die Hälfte der Aussage. Es fehlt eine Frage, die der Bezeichnung „teuer“ einen Bezugsrahmen, eine Art Einordnung, spendiert.
So lässt sich beispielsweise fragen: Was ist dir dein zentraler Computer täglich wert? Zwei Euro pro Tag? Das wäre dann ein iPhone 6s. Für 2 Euro und 32 Cent steigt man mit dem iPhone 6s Plus ein.
Eine Milchmädchenrechnung? Natürlich!
Niemand kauft ein iPhone 6s oder 6s Plus mit nur 16 Gigabyte. Um das neue Apple-Telefon mit einer vernünftigen Kapazität von mindestens 64 GB innerhalb von einem Jahr komplett abzubezahlen, bedarf es täglich einer finanziellen Aufwendung von 2.32 Euro bzw. 2.62 Euro. Mögliche Zuschüsse (von Mobilfunkprovidern) oder den Werterhalt nach 12 Monaten ignorieren wir für den Moment.
Was ich sagen will: Natürlich ist es absolut legitim dem iPhone-Turnus für ein, zwei oder drei Jahre zu entschwinden. Apples iOS-Updates erreichen mittlerweile Geräte, die bereits fünf Jahre alt sind. Ein iPhone 5s ist heute nicht langsamer als es vor zwei Jahren war. Für mich steht aber der Preis, den ich mir bei einem Upgrade spare, weil ich nicht aufs neue Gerät wechsle, in keinem sinnvollen Verhältnis zur Häufigkeit und der Intensität meiner (ganz persönlichen) Nutzung und was ich dafür vom Gerät bekomme.
Schneller, höher, stärker
Die Geschwindigkeit des Prozessors, um damit ein Smartphone zu bewerben, ist eine nahezu abstrakte Zeugnisnote. Knüpft man diese Leistung nicht an Funktionen, mit denen Leute tatsächlich etwas anfangen können, sind solche Specs für viele Kunden nur unverständliches Gibberisch.
Nicht umsonst rangiert der Prozessor auf Apples ‚Tech Specs‘-Webseite, eine mittlerweile perfektionierte Marketing-Maschine, erst an fünfter Position. Zuerst sind dort a) die Gehäusefarbe, b) die Kapazität, c) die Abmessungen und d) alle Einzelheiten zum Display genannt. Erst dann findet der A9 überhaupt Erwähnung.
Aus technischer Perspektive bleibt das iPhone-Herzstück natürlich der Prozessor, der dieses Jahr beeindruckend auf Augenhöhe mit den neuen MacBooks (!) springt.
The new iPhone 6S beats the new MacBook in single-core performance on Geekbench, and is within spitting distance in multi-core. That’s astounding. I can’t wait to see the scores for the iPad Pro later this year.
Der A9 ermöglicht Features wie die neuen Live Photos. Ist die Kamera-App geöffnet, wird konstant Video aufgezeichnet. Wird dann der Auslöser gedrückt, schneidet euch das Telefon ein paar Videosekunden rund um das hochauflösende Bild zurecht.
Nach den ersten Testwochen damit wünsche ich mir a) eine höhere Auflösung dieser bewegten Fotos und b) eine simple Möglichkeit den ‚Live-Teil‘ der Bilder nach der Aufnahme wieder auszusortieren.
Warum?
Natürlich gibt mir der zusätzliche Speicherbedarf zu denken. Die Preise für iCloud-Speicher hat Apple kürzlich stark reduziert, könnte sich insgesamt aber noch konkurrenzfähiger positionieren. Purzeln die Preise, könnte man Live Photos als eine Art Metadaten behandeln, die einfach dazugehören. Solange das aber noch nicht der Fall ist, bleibt zumindest das Gefühl hier regelmäßig ausmisten zu müssen.
In exakt diesem Punkt ist der Burst-Mode so fantastisch, weil ich weiß, die überschüssigen Bilder unkompliziert wieder abstoßen zu können. Diese Eingriffsmöglichkeit ist trotz der Exzellenz dieser Funktion, die bereits grandiose Erinnerungen für mich festgehalten hat, ein zentraler Aspekt. Live Photos will ich ähnlich übersichtlich bearbeiten können wie die iOS-Serienbilder.
Und warum gibt es eigentlich kein eignes Fotoalbum für Live Photos?
Unter die Überschrift Geschwindigkeit gehört in diesem Jahr auch der Touch-ID-Sensor, der den iOS-Bildschirm freigibt.
Apple behauptet: Generation 2 dieser Technik entsperrt das iPhone doppelt so schnell. Ich glaube, sie untertreiben. Ich habe Probleme mir vorzustellen wie dieser Prozess irgendwie noch zu topen sein soll. Touch ID erkennt in diesem Jahrgang auch feuchte und nur halb aufgelegte Finger. Das ist schlicht beeindruckend.
Die Erkennung ist so flott, das es tatsächlich einer Verhaltensänderung bedarf, wenn man zuvor den Standby-Screen für (verpasste) Benachrichtigungen verwendet hat. Das iPhone ist einfach zu schnell entsperrt; die Benachrichtigungen sind zu schnell verschwunden.
Ein 3D Touch aufs ausgeschaltete Display, das den Screen aufleuchten lässt und die Informationen über verpasste Anrufe, Push-Benachrichtigungen oder die Uhrzeit freigibt, erscheint mir als das nächste sinnvolle Feature.
Apropos 3D Touch…
3D Touch
Im April des Jahres äußerte sich Analyst Ming-Chi Kuo, neben Mark Gurman derzeit die einzige respektable Quelle für Gerüchte, zum ‚Force-Touch‘-Feature.
KGI Securities analyst Ming-Chi Kuo, who has a respectable track record at reporting on Apple’s upcoming plans, issued a note to investors on Thursday that claims the next-generation iPhone will have a FPC-made capacitive Force Touch sensor under the backlight, laminated with metal shielding. Kuo adds that the change may be significant enough for Apple to call its next iPhone the „iPhone 7“ instead of the so-called „iPhone 6s.“
Ein „iPhone 7“ ist es nicht geworden. Das Gerücht zeigt aber recht eindrucksvoll welchen Fehlinterpretationen die S-Zyklus unterliegt. Apple wirbt für das 6s mit dem Spruch: „Alles, was sich geändert hat, ist alles.“ 3D Touch ist eine solche fundamentale Änderung, die man unterschätzt, weil das Telefon in dem sie steckt, genau wie das Modell aus dem letzten Jahr aussieht.
Die Funktion erweitert erstmals seit 2007, seit dem allerersten iPhone, Apples Telefon um eine komplett neue Interaktionsebene – nicht nur um eine neue Geste.
‚Peek & Pop‘ ist vergleichbar mit QuickLook am Mac – schnelle Vorschaubilder für Webverweise oder Bilder. Die zweite Ausarbeitung von 3D Touch sind Shortcuts – Apple nennt sie Quick Actions. Bereits nach wenigen Wochen ziehen sich diese Abkürzungen durchs gesamte Betriebssystem. App-Store-App, die nicht mindestens die Basisfunktionen dieser Technik unterstützen, wirken ‚out-of-date‘.
Der 3D Touch in Tweetbot beispielsweise, der direkt aus der Timeline zum Profil des jeweiligen Nutzers springt, ist kaum noch wegzudenken. ‚Standort markieren‘, aufzurufen über einen 3D Touch aufs Icon in Apple Maps, erspart unzählige Fingerberührungen innerhalb der Kartenanwendung.
3D Touch glänzt wenn es mehr als nur ein Shortcut ist. Denken wir beispielsweise an den Import von Bildern in eine App. Das Betriebssystem bietet in dieser Ansicht eine Gitternetz-Übersicht, bei der man aus vielen kleinen Vorschaubildern das zu importierende Fotos sucht. Knipst man eine stattliche Anzahl ähnlicher Fotos, sind aus dieser Darstellung die Detailunterschiede nicht zu erkennen. Um nicht regelmäßig ungewollte Bilder zu importieren, löschte ich in der Vergangenheit die anderen Shoots vorab oder sortierte meinen Favoriten in einen eigenen Ordner – extrem umständlich.
Mit 3D Touch ist es nun möglich in der gleichen Übersichtsansicht stärker auf ein Bild zu drücken, so dass es aufspringt und seine Detailunterschiede preisgibt.
Über einen kräftigen Druck auf den Bildschirmbereich der Tastatur setzt man außerdem die Cursorposition in Textfeldern. Wie um alles in der Welt haben wir unsere Telefone vorher bedient?
Trotz all dem Lob: Die Integration von 3D Touch bleibt im Moment noch sehr simple, mit viel Luft nach oben, obwohl es weder an Fantasie noch an der Technik mangelt.
Eine breite Unterstützung von Apps, die sich zukünftig damit austoben, ist bis auf Weiteres dem iOS-Ökosystem vorbehalten.
Apples Taptic Engine
Achtung, clevere Überleitung: 3D Touch wird nur durch die Taptic Engine möglich. Das dezente Rütteln untermalt den kräftigen Druck aufs Display. Er ist entscheidend um ein Gefühl für die benötigte Kraftaufwendung zu geben.
Ich glaube es wird dauern, bis wir eine solche Technik, wie sie die Taptic Engine liefert, in einem anderen Smartphone sehen. Es ist eines der Alleinstellungsmerkmale, die nur durch die gleichzeitige Kontrolle von Hard- und Software möglich ist. Apples Chip vibriert nicht in der gleichen Liga wie die Rüttelmotoren seiner alten iPhones oder anderen Smartphones.
Man muss das selbst ausprobieren, selbst Hand auflegen, und dann hoffentlich nicht wieder zurück auf ein Vorgängermodell wechseln. So gut ist die Taptic Engine im neuen iPhone.
RAM
iPhones und ihr Arbeitsspeicher, eine kleine (häufig diskutierte) Odyssee. Die Debatte findet nach mehreren Jahren mit dem iPhone 6s ihr Ende.
Mit 2 Gigabyte ist man nun auf Augenhöhe des iPad Air 2, das in den letzten 12 Monaten bereits zeigen konnte, dass nicht jeder Safari-Tab nicht nach einem App-Wechsel neu geladen werden muss. 1 Gigabyte im iPhone 6 waren rückblickend…nicht ideal.
Es ist eines dieser Features, an das man erst wieder denkt, wenn man es plötzlich nicht mehr hat.
Fazit
Das iPhone 6s ist kein inkrementelles Upgrade zum iPhone 6; das 6s legt mit vielen seiner Technologie eine kompletten Neustart hin, um sich den täglichen Anforderungen als meistbenutzter Computer in unserem Alltag zu stellen.
Die Taptic Engine, der erstmals im A9 integrierte M9-Coprozessor, das Gehäuse aus 7000er-Aluminium oder 3D Touch, das Apple nicht zufällig als „Multi-Touch der nächsten Generation‘ betitelt, kann man nicht nur als ‚kontinuierliche Verbesserungen‘ abstempeln. Für diese Technologien beginnt erst jetzt ihre Zeit.
Aber klar, nicht jeder Baustein von Apples Mini-Computer ist zur Gänze neu gesetzt. Zur klassischen Weiterentwicklung zählt die vorderseitige (Selbstporträt‑)Kamera (inklusive ‚Retina Flash‘), der doppelt so schnelle Touch-ID-Sensor, „Hey Siri“ ohne angesteckten Strom oder die 4K-Auflösung für Videos.
Das iPhone bleibt mit der Kombi aus signifikanten Verbesserungen und vollständig neuen Technologie auch im Jahr 2015 eins von wenigen Telefonen, dessen gesamte Produktqualität sich Jahr für Jahr konstant steigert. Einer solchen Produktreife eifern auch die Flaggschiffe von LG, Samsung und Huawei nach – mit unterschiedlichem Erfolg. Apples Beständigkeit und ihre tatsächlichen Alleinstellungsmerkmale bleiben dabei aber unerreicht.
Beide Geräte, egal ob 4.7- oder 5.5-Zoll, sind eine uneingeschränkte Empfehlung. Bildstabilisierung und Akkulaufzeit sind ein Plus fürs Plus-Modell. Das iPhone 6s hat den kompakteren und leichteren Formfaktor auf seiner Habenseite.
Doch das Telefon erzählt nicht die ganze Geschichte. Das Telefon ist nämlich schon heute für die meisten Menschen ihr primärer Computer und ihr einziger (aber auch präferierter) Weg ins Netz.
Denkt an WhatsApp, Instagram oder Gmail. Und denkt daran wie sich durch ein einziges App-Update nicht nur die Software, sondern augenblicklich auch der gesamte Zugang zum Internet verbessert.
Mobile is not a subset of the internet anymore, that you use only if you’re waiting for a coffee or don’t have a PC in front of you – it’s becoming the main way that people use the internet. It’s not mobile that’s limited to a certain set of locations and use cases – it’s the PC, that can only do the web (and yes, legacy desktop apps, if you care, and consumers don’t) and only be used sitting down. It’s time to invert that mental model – there is not the ‘mobile internet’ and the internet. Rather, if anything, it’s the internet and the ‘desktop internet’
Das iPhone 6s und 6s Plus in Teamwork mit iOS 9 sind für mich deshalb unangefochten die besten Geräte ihrer Klasse.