Apple Watch – Part II

25 Meinungen, ein Artikel: Ich mag die Idee, die hinter diesem Patchwork-Review steckt (auch wenn ich nicht jede dieser Meinungen teile).

Even before the early adopters on Medium began receiving their Apple Watches, they began writing about it. And after they unboxed the devices and strapped them to their wrists, the posts really piled up. These were so numerous — and so good — that some of the Backchannel team here at Medium decided to create the Apple Watch Project collection, inviting the writers to pool their work in a quasi-anthology, with the idea that we would eventually skim the cream to make one master review, straight from the Mediumsphere. Our review would read as if a single person wrote it, but it would actually be a product of the collective intelligence of our network.

Is the Apple Watch Really Worth Your Time? The Ultimate Review.

Nach den ersten drei Monaten scheint die Zeit gekommen, eine Handvoll weiterer Eindrücke aufzuschreiben. In den vergangenen 95 Tagen bestätigte sich dabei meine anfängliche Vermutung: Um die Apple Watch zu verstehen, musst du sie tragen.

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Die Uhr ist kein Gadget, das man aufgrund von bisherigen Erfahrungen kapiert oder sich Meinungen anliest, die dann pauschal gelten. Dafür ist sie in der Tat zu persönlich. Gewicht und Optik (der unterschiedlichen Kollektionen) empfindet jeder anders; die Benutzung und die Gewohnheit (das tägliche Aufladen, der Gebrauch in der Öffentlichkeit) fallen ganz individuell aus. Etwas am Körper zu tragen, ist nicht vergleichbar mit dem Telefon in der (Hosen‑)Tasche. Überrascht?

Unterschiedliche Meinungen helfen beim Überblick; den eigenen Test ersetzen sie jedoch nicht1.

Am Vorabend von watchOS 2

Was ich persönlich an der Uhr schätze, wurde mir das erste Mal so richtig bewusst als man sie mir wegnahm. Genau genommen habe ich sie mir selbst weggenommen indem ich sie mit der Beta-Version von watchOS 2 bespielte. Die ersten zwei Entwicklerversionen flashten die Uhr für den Alltag nahezu unbenutzbar. Der Akku verbrannte in nur vier Stunden; Siri verstand keines meiner Worte mehr. Selbst Schuld. Ich weiß!

Das Experiment brachte mir jedoch Perspektive (um dieser schmerzhaften Phase widerwillig etwas Gutes abzugewinnen). Nun weiß ich, wie viele Dinge ich bereits heute vermissen würde2. Dazu gehört: bequem einen Timer zu stellen, nie wieder die Apple-TV-Fernbedienung suchen zu müssen, E-Mails gleich nach deren Eintreffen zu löschen, iMessages während eines Spazierganges zu senden, ToDos abzuhaken (Things), Podcasts zu starten während das iPhone am anderen Ende der Wohnung liegt (Overcast), die iPhone-Kamera aus der Ferne auszulösen, Restaurants aufzuspüren (Foursquare), meine ‚Check-in‘-Kultur zu pflegen (Swarm), über Apple Maps durch die Stadt zu finden ohne dabei wie ein verplanter Tourist auszusehen und täglich die Fitness-Ringe zu füllen.

Alle diese Features lagen mir nach wenigen Wochen bereits im Blut und fehlten mir, als sie plötzlich nicht mehr möglich waren.

Und trotzdem bleibt die generelle Situation von Dritt-Software in einem schwierig zu bewertenden Zustand. Viele der Ideen funktionieren bereits. Jede Sekunde aber, die ein App-Start zusätzlich dauert, frustriert. watchOS 2 gibt die positive Aussicht auf Apps, die nicht mit den gravierenden Einschränkungen des Systems kämpfen. Im Moment sind wir dort aber noch nicht angekommen.

Angebunden und eingewählt

Ich führte bereits vollständige Chat-Gespräche über die Spracheingabe. Für einige Sätze waren dafür mehrere Anläufe notwendig. Wenn Siri mich jedoch versteht, hat mein Gegenüber keine Ahnung das ich ihm transkribierte Sätze schicke. Das fasziniert mich bis zum heutigen Tag jedes Mal neu.

Mein (immer noch) größtes Manko: Obwohl ich einen Chat in deutscher Sprach führe, möchte Siri ab und an nur Englisch verstehen – oder umgekehrt. Ja, die Sprache von meinem Betriebssystem ist Englisch und ja, iMessages treffen bei mir abwechselnd in beiden Sprachen ein. Wahrscheinlich ist es dieser häufige Wechsel, der die Uhr durcheinander bringt. Trotzdem muss eine solche Einstellung mit Sprachsynthese und Kontext herauszufinden sein. Am iPhone wechsle ich die Tastatur um das System unmissverständlich über die gewählte Sprache in Kenntnis zu setzen. Auf der Uhr besteht keine solche Möglichkeit. So fühlt man sich sehr verloren.

Update: Großartiger Tipp aus den Kommentaren: Force Touch wählt beim Diktat die Sprache! /Update

Die „neuen Verbindungsmöglichkeiten“, die Scribbles, Taps und Herzschläge, die man mit einem anderen Watch-Freund austauscht, habe ich in den ersten drei Monaten nie benutzt. Das lag nicht an mir oder der Uhr, sondern meinem privaten Umfeld, das noch keine Apple Watch besitzt. iMessages kämpften zu Beginn mit einem ähnlichen Henne-Ei-Problem. Als die SMS-Alternative mit iOS 5 einzog, war meine Familie aber bereits mit iPhones ausgestattet. Ich habe also weiterhin keine Ahnung, ob die „neuen Verbindungsmöglichkeiten“ nur süß sind, oder ob ich diese Art der Kommunikation wirklich nutzen würde.

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Mein ‚Daily Driver‘: das Loop-Lederarmband. Ab und an wechsle ich auf ein weißes Sportarmband oder das Gliederarmband.

Apropos Kommunikation: Apple Watch ist ein perfekter Beifahrer für ‚Instant Messenger‘. Kurze Antworten und schnelle Bestätigungen schüttelt man quasi aus dem Handgelenk. Ihr kennt das: Man hat sein iPhone schon weggepackt und dann kommt doch noch eine letzte Frage im Gespräch auf. Ich habe bereits unzählige Male das iPhone im Rucksack gelassen und mit der Uhr eine Antwort formuliert.

Messenger dominieren unser mobiles Zeitalter. Mittlerweile sind Facebook, WhatsApp und Co. die primären Plattformen für elektronische Kommunikation. Apple Watch scheint darauf perfekt vorbereitet. Es wird nicht mehr lange dauern, da wird uns ein Wearable ohne Chat-Funktion so sinnvoll wie ein Smartphone ohne Browser erscheinen.

Wie viel Fitness steckt in einem Fitness-Armband?

Womit wir bei der Konkurrenz der (Fitness‑)Armbänder angelangt sind. Mein (ehemals geliebtes) Fuelband liegt seit dem Apple-Watch-Release in der Schublade. Es scheint schwer vorstellbar, dass wir in drei Jahren noch mit Jawbones und Fitbits – reinen Schritt- und Kalorienzählern, herumlaufen. Der ‚Kampf ums Handgelenk‘ wird nicht mit diesen Basisfunktionen zu gewinnen zu sein. Die jetzigen Sportarmbänder werden sich andere Körperstellen suchen müssen und dafür andere Formen annehmen. Ein Stecker im Ohr? Ein Ring für den Finger? Neben der Uhr ist auf Dauer kein Platz für einen Armreif wenn dieser nicht wesentlich mehr kann oder nur während bestimmter Zeiten (im Fitnessstudio, im Schwimmbad, etc.) zum Einsatz kommt.

Mit Erwähnung von Fitness-Trackern kommt gewöhnlich die Frage nach der Batterielaufzeit auf. Apple Watch hat, und dabei sind sich grob überschlagen alle einig, im täglichen Rhythmus eine mehr als ausreichenden Akkukapazität. Wie vermutet: Das ‚Einmal Laden pro Tag‘-Konzept spielt sich als Gewohnheit ein. Einzig und allein Unterbrechungen des Alltags, ein Urlaub, eine Dienstreise oder ein durchgefeiertes Wochenende, bringen diesen Rhythmus durcheinander. Selbst mit wenigen Ausflügen lässt sich nicht der Kauf eines zweiten Ladekabels vermeiden.

Smartwatches wie die Pebble triumphieren gewöhnlich in dieser Kategorie. Sie sind nicht dem Druck ausgesetzt täglich an den Strom zu müssen. Andererseits verbringt eine Pebble die Nacht auch nicht am Handgelenk, oder? Ob die Uhr also neben einem Ladekabel liegt oder doch ansteckt ist, macht in vielen Alltagssituationen vielleicht gar keinen so großer Unterschied zur Apple Watch!?

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Klar, das alles wird sich ändern wenn präzises Schlaf-Tracking möglich ist. Spätestens dann muss auch Apple Watch mitziehen (oder im Zeitfenster zwischen Frühstück und Dusche schnell genug Strom tanken). Ein detailliert dokumentierter Schlafrhythmus ist ein entscheidender Faktor in Bezug auf unsere Gesundheit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Apple dieses Ziel nicht schon für die nächste Generation auf der Agenda hat.

Kleine Randnotiz: Aufwachen mit der Taptic Engine, über ein sanftes Antippen aufs Handgelenk ohne dabei das ganze Haus aufzuwecken (beispielsweise für einen Mittagsschlaf), ist sehr großartig.

Mehr Ausblick

Es fehlen immer noch Apps. Den jetzigen Software-Status-quo werden wir (hoffentlich) so schnell vergessen haben wie das Web-App-Jahr, das Apple uns mit der ‚Sweet Solution‘ andrehen wollte. Für mich besteht kein Zweifel, dass die Uhr – genau wie das Telefon, von einer reichhaltigen Auswahl an Anwendungen profitieren wird. Es wird spannend zu verfolgen, was für diese neue Gerätekategorie das nächste Instapaper, Twitter oder Instagram wird. Keine Sekunde bezweifele ich, das wir ganz neue Anwendungen zu sehen bekommen, die zur „seismischen Verschiebung“ passen.

A symbolic thing happened this last June: the world’s second largest mobile operating system overtook Wintel machines in unit sales. […] Academics will look back on 2015 and its neighboring years as a keystone moment. I don’t mean just the passing of the torch from desktop to mobile computing—which we can see with our own eyes—but rather the impact that passing has on societies—rich and poor—around the world.

Bryan Chaffin | „Second Largest Mobile Platform Overtakes Wintel Unit Sales

Hinzu gesellen sich die Komplikationen – eine Sendungsverfolgung für Postpakete oder die Push-Zustellung von Fußballergebnissen direkt aufs Zifferblatt. Reizvoll wirds, wenn diese Informationen auf einen zeitlichen Bezug achten. Den stündlichen Status von einem Paket brauche ich nämlich erst dann, wenn sich dieses in der akuten Zustellung befindet. Die Fußballergebnisse will ich nur Samstagnachmittags sehen. Unter der Woche kann der dort begrenzte Platz anders genutzt werden.

Klar, das sind alles noch Zukunftsvisionen; das ist alles noch weit weg. Aber wie kann man ein solches Potenzial bei einer Bewertung ignorieren?

Und trotzdem: Apple Watch hat einen sehr engen Fokus. Eine erste Hardware-Generation ist selten uneingeschränkt jedem zu empfehlen. Apple würde es anders formulieren, aber sie verkaufen dir auch sehr gerne erst eine zweite, dritte oder vierte Generation der Uhr. Apple Watch folgt unverwechselbar dem iPhone-Spielplan: Die Uhr ist ein Projekt, das über viele Jahre angelegt ist. Diese Version ist nur ein erster Baustein. Um im Massenmarkt anzukommen, benötigte das iPhone weit über drei Jahre. Vielleicht sollten wir der Apple Watch mehr als nur drei Monate zugestehen?

Oder um ein Zitat von Roy Amara abzustauben: „Wir neigen dazu, die Auswirkungen einer Technologie kurzfristig zu überschätzen – und langfristig zu unterschätzen.“


  1. Kunden zum Ausprobieren zu bewegen, ist eine der größeren Herausforderungen in der Vermarktung. Die ‚Try-On‘-Termine helfen. Damit diese jedoch gebucht werden, muss das Produkt mehr als nur wahrgenommen werden. 
  2. Mittlerweile ist eine akzeptable Beta 4 verfügbar. Keine der Beta-Versionen lässt sich jedoch downgraden zurück auf watchOS 1.