OmniFocus raus, Reminders rein

Ende April platzte mein OmniFocus aus allen Nähten. ToDos wohin die Augen schauten; überfällige Termine und ein Dutzend unerledigter Aufgaben denen ich nicht nur einige Tage, sondern bereits ganze Wochen, hinterherhinkte. Ich tat also, was jeder verantwortungsbewusste Getting-Things-Done-ler auch getan hätte: Ich löschte OmniFocus und startete mit einer frischen Datenbank in Apples App ‚Erinnerungen‘.

IPhoneBlog de Reminders

Zugegeben: Ganz unerwartet erreichte mich der Wunsch nach einem Kurswechsel nicht. OmniFocus, eine App, die ich insbesondere auf dem iPhone und iPad (immer noch) sehr schätze, wuchs mir mit ihrer Komplexität über den Kopf. Zu viele Einstellungen, zu viele Drehregler zur Feinjustierung: Ich wollte schlicht den Verwaltungsaufwand abschütteln, da ich ohnehin nicht dem (strengen) GTD-Regelwerk folge.

Betont sei also, bevor wir hier richtig einsteigen, dass ich OmniFocus nicht aus irgendeiner Unzufriedenheit heraus den Rücken kehre. Ganz im Gegenteil: Durch die regelmäßige Produktpflege fühlte ich mich dort immer sehr gut aufgehoben. Und ich weiß bereits jetzt, dass mich zukünftige Software-Update, die neue Funktionen und (Design-)Änderungen versprechen, an meiner Entscheidung zweifeln lassen werden.

„It’s not you, it’s me!“

Durch den Wechsel zu Apples App ‚Reminders‘ (Erinnerungen) setze ich Apples ToDo-Listen-App auf Augenhöhe mit der OmniGroup-Software. Fair ist das nicht; das ist mir klar. Da ich jedoch über die letzten Monate gelernt habe, dass mir Reminders alle Features bietet die ich benötige, erfüllt die simple App meinen Ansprüchen. Dabei lege ich Listen als Projekte an, die mit Einzelaufgaben gefüllt sind. Eine Aufgabe ist primär definiert durch ihre Beschreibung. Separate Notizen, beispielsweise eine URL, sowie Informationen über Zeit und Ort, hinterlege ich durchschnittlich nur bei jedem zweiten Eintrag.

Diese Art von übergeordneten ToDos lassen sich nicht mehr so hübsch in einzelne Unteraufgaben aufbrechen. Die Tätigkeit ‚Garage aufräumen‘ im Projekt-Ordner ‚Haus‘ ist demnach echt unhandlich. Da ich bislang in OmniFocus die kleinen Teilaufgaben, in diesem Beispiel vielleicht der Kauf von Aufbewahrungskisten, ohnehin nicht eingetragen habe (beziehungsweise in der Kategorie ‚Shopping‘ vermerken würde), fällt mir die Umgewöhnung leichter. Oder um nun endlich mit der Gegenüberstellung1 abzuschließen: Ein GTDler findet in Apples Reminders bereits auf einem ganz einfachen Level keine Alternative.

Listen entsprechen Projekten

Ich sortiere Aufgaben in Listen, die ich wie Projekte behandele. Einige finden sich dort dauerhaft (Hardware-Reviews, Lieferungen oder Technik), einige verschwinden nach einer gewissen Zeit wieder (T-Shirt-Verkauf, München im Herbst, etc.). Seit iOS 8 sortiert sich die Reihenfolge, in der die Listen in der linken Randspalte auftauchen, zu meiner Freude geräteübergreifend zwischen iPhone, iPad und dem Mac (unter iOS 7 war das noch nicht so).

Der Ordner Eingang sammelt alle neuen Aufgaben – erst später schiebe und sortiere ich. Der (Aufgaben-)Eingang ist in den iOS-Systemeinstellungen auch als Standard-Ordner definiert. So landen dort auch alle per (Siri-)Sprachbefehl eingesprochenen Erinnerungen. Siri ist ohnehin einer der wesentlichen Vorteile um ToDos ohne Tastatur festzuhalten. Selbst wenn sie nur die Hälfte richtig versteht, ist die schnelle Spracheingabe bei mir eine tägliche Hilfe.

  • Erinnere mich [Name] eine E-Mail zu schreiben.
  • Erinnere mich am [Tag] um [Uhrzeit]: [Inhalt].
  • Erinnere mich daran [Inhalt], wenn ich an [Ort] ankomme.
  • Erinnere mich daran [Inhalt], wenn ich [Ort] verlasse.

Neben der Sprach- und Text-Eingabe helfen Drafts (8.99 €; universal; App-Store-Link) und Clips dabei Aufgaben festzuhalten.

IPhoneBlog de Reminders Clips

Raus aus dem App-Silo

Zweiter großer Vorteil: Reminders hat eine Datenbank, die von mehreren Apps gelesen und beschrieben werden kann. Fantastical besitzt beispielsweise ein Widget, das auch die Erinnerungen anzeigt und ich Aufgaben direkt aus dem Standby-Screen als erledigt abhaken kann.

Wenn mir Reminders zu dröge wird oder ich mit mehr terminfokussiert arbeiten möchte, öffne ich GoodTask (4.49 €; universal; App-Store-Link). Die Reminders-Datenbank ist nicht im klassischen Verständnis offen, kann aber von mehreren iOS-Apps beackert werden.

The Bad and the Ugly

Die Liste der Kritik ist nicht besonders lang aber mit fiesen Stolpersteinen gepflastert. Beginnen wir am Desktop: Reminders beendet sich immer komplett wenn alle Fenster geschlossen sind – ein typisches Verhalten von Microsoft-Windows-Software. Mac OS arbeitete in der Vergangenheit vornehmlich dokumentenbasiert und behält auch heute noch Safari oder Mail geöffnet, selbst wenn alle Einzelfenster geschlossen werden. Die Systemeinstellungen verhielten sich immer anders; bei den Kontakten, dem Kalender, den Notizen und auch Reminders wechselte das Verhalten vor ein paar Jahren (und ich mag das nicht). Bei Reminders fällt es mir aber erst jetzt so richtig auf, weil ich die anderen Apple-OS-X-Apps eigentlich nie öffne. Reminders ist neben den Systemeinstellungen die einzige App in meinem Dock, die sich so verhält.

Zweiter Punkt: Spotlight bietet mir keine Möglichkeit Aufgaben in Reminders einzutragen ohne die Finger von der Tastatur zu nehmen. Genau aus diesem Grund bin ich kürzlich zu LaunchBar gewechselt, das Aufgaben flott und ohne die App zu öffnen hinterlegt. Aber es ist nicht nur Spotlight, das diesbezüglich in der Kritik steht: Generell existiert kein Tastatur-Shortcut um Aufgaben einzutragen.

Punkt 3: Am Desktop habe ich klickbare URLs, unter iOS nicht. Diverse meiner Aufgaben/Erinnerungen haben Links. Dass ich diese unter iOS manuell kopieren muss um sie aufzurufen, ist unnötig kompliziert.

Editiere ich eine Notiz, ist es (manchmal!) nicht möglich ein anderes ToDo-Item abzuhaken, der Tastatur-Cursor im Bearbeitungsmode unterbindet meine Toucheingabe. Das ist ähnlich undurchdacht wie die fehlende Geste um in die Listenübersicht von links nach rechts zurückzuwischen oder das am Desktop die Listen in der Randspalte keine Farben besitzen. Außerdem hätte ich gerne das weggekreuzte Aufgaben sofort verschwinden und nicht ausgegraut in einer Liste verweilen bis ich diese neu lade.

Es lässt sich darüber streiten ob mehrzeilige Einträge aus der Zwischenablage, beispielsweise eine Adresse, für jede Zeile ein eigenes ToDo anlegen sollen. Im Beispiel der Adresse, die dann aufgespalten wird in Name, Strasse und Stadt, ist das natürlich sinnlos. Es mag allerdings Situationen geben, da ist diese automatische Hilfe sinnvoll.

Summa Summarum

Die beschriebenen Kleinigkeiten, die Apples Erinnerungen vermasselt, röten mir vor Wut manchmal die Wangen. Für tatsächliche Probleme kann ich einen Fehlerbericht bei Apple eröffnen; für Verbesserungsvorschläge besteht eine Chance auf Umsetzung nicht. Mir ist klar, dass Reminders in seiner jetzigen Form mindestens bis nächsten Herbst unangetastet bleibt. Wer Spaß an einer kontinuierlichen Weiterentwicklung seiner täglich verwendeten Software hat, und obendrein in einen Dialog mit den zuständigen Entwicklern treten möchte, kann ich Reminders nicht empfehlen.

Reminders setzt auf Apples iCloud-Backend und ist zumindest bei mir einer dieser Dienste, der tadellos läuft. Einträge und Änderungen erscheinen flott, stabil und im vollständigen Sync mit allen Geräte. Einzige Einschränkung: Die Kennzeichnungen (Badges), die überfällige Aufgaben anzeigen, aktualisieren sich teilweise erst dann wenn die Software gestartet wurde.

Reminders ist eine typische Apple-App, die genügend Luft für App-Store-Drittsoftware nach oben lässt, aber die Basisbedürfnisse erfüllt. Ich bin derzeit damit zufrieden (um diverse Anfragen per E-Mail aus den letzten Wochen und Monaten auf einen Schlag zu beantworten), schaue mich aber weiter um.


  1. Alle meine aktiven OmniFocus-Aufgaben trug ich manuell – per Copy & Paste – um.