Quip kalkuliert jetzt auch in Tabellen
Quip verhält sich zu Google Drive wie Vimeo zu YouTube: weniger verbreitet, einfacher zu verstehen und viel hübscher. Außerdem fährt das Start-up mit Textverarbeitung, das seit wenigen Minuten auch eine umfangreiche Tabellenkalkulation besitzt (kostenlos; universal; App-Store-Link), den integrierten Ansatz. Während Google und Microsoft ihre Spreadsheets und Docs fein säuberlich trennen, führt Quip sie zusammen.
Diese Ausrichtung öffnet Türen. Beispielsweise für die Angabe von Zahlen im Fließtext, die sich mit einer bestimmten Tabellenzelle verknüpfen lassen und damit von selbst aktualisieren. Ja, Word und Excel können das irgendwie auch, aber niemand weiß wie das geht. Ernsthaft: Niemand versteht das.
Die Idee ist also nicht neu, die Funktion war aber selten so nachvollziehbar umgesetzt. Für Geschäftsberichte oder Studienarbeiten, bei denen sich Text oft auf Zahlen bezieht, vermeidet eine Verknüpfung (Copy-und-Paste-)
Vor dem Release der soeben zum Download freigegebenen Version 3.0 nahm sich Quip-Gründer und aktueller Firmenchef Bret Taylor die Zeit für einen Skype-Plausch. Taylor zeigte sich vor seiner Arbeit am Texteditor mitverantwortlich für die Entstehung von Google Maps sowie FriendFeed. Facebook übernahm bekanntlich FriendFeed und positionierte gleichzeitig Taylor als Technischen Leiter (CTO) im Zuckerberg-Netzwerk.
Im Gespräch stellte er die Bedeutung des Chats für die kollaborative Zusammenarbeit an Dokumenten heraus. Es sei eines der Features, die verdeutlichen „das man mit Menschen zusammenarbeitet und nicht mit Dateien“. Damit bezieht er sich sowohl auf die Seitenspalte, in der sich alle Teilnehmer austauschen können, sowie die Kommentarfunktion für Anmerkungen auf explizite Textstellen.
Die Popularität verwundert nicht. Wie oft haben wir alle schon temporäre Fragen, Anmerkungen oder Korrekturen in Google Docs getippt und wenig später wieder gelöscht? Mit Ausnahme der Office Suite kenne ich keine vergleichbare Enterprise-Software, stelle mir diese Kandidaten aber alle samt ganz grausam vor (weil sie gewöhnlich von Leuten eingekauft werden, die diese Apps nicht verwenden müssen).
Quip zeigt auf Basis individueller Dokumente dessen kompletten Entstehungsverlauf, auch lange nachdem die Datei bereits zu den Akten gelegt wurde. Dauerhafte Nachvollziehbarkeit, beispielsweise für neue Arbeitskollegen, ist ein wichtiger Aspekt, der mit drei E-Mail-Anhängen in separaten Dokumenten verloren geht. Bei Quip muss man sich nicht vor der Erstellung eines Dokuments entscheiden, was es enthalten soll.
Außerdem dient die History dazu Ideen zurückzurollen. „Zu viel Wissen ist gefangen in E-Mail-Verteilern, die niemand überblickt oder neuen Kollegen zeigen kann.“
Quip will ein Textverarbeitungsprogramm für das Jahr 2014 sein. Um im hier und jetzt aber zu funktionieren, muss jedes Feature auf jedem Gerät und mit jeder Bildschirmgröße klarkommen. Für Bits und so verfassen wir bereits seit über einem Jahr die Shownotes der Sendung in Quip. Dabei trage ich Themenvorschläge mit einem iPhone von unterwegs ein, lese in Vorbereitung auf die Show alle Links am iPad und schaue während der Aufzeichnung das Dokument im Desktop-Browser an.
Das alles funktioniert wie versprochen; die App arbeitet mittlerweile zuverlässig und hält jedes Dokumente auf dem mobilen Gerät zudem in einer Offline-Version vor, ohne Ausnahme. „Es soll nie die Situation entstehen, dass man nichts nachtragen kann, nur wenn das Netz mal weg ist.“
Quip legt großen Wert darauf, nicht Freemium genannt zu werden. Die Software hat seit Tag 1 zahlende Kunden und Kundinnen (12 US-Dollar pro Gruppenteilnehmer_inn), darunter Teams in großen Firmen wie Facebook oder New Relic. Für überschaubare Kreise mit bis zu fünf Mitglieder_innen will die App grundsätzlich kostenlos bleiben. „Die Motivation ist, dass unsere Kunden die Textverarbeitung privat ausprobieren und sie dann eventuell in die Arbeit oder ihre Teams schleppen.“
Was Bret Taylor nicht erwähnt: Die Konkurrenz drückt von beiden Seiten. Am oberen Ende sitzt Microsoft Office; von unten konkurriert Quip mit allen Notiz-Apps – von Vesper über Simplenote bis Evernote. Die Dienste variieren in ihrem Leistungsumfang stark, es lässt sich aber nicht abstreiten, dass inzwischen ein Überangebot an Software existiert, das im erweiterten Sinn mit Text umgeht.
Auch deshalb erscheint mir Quip mehr als ein Feature, das wir in der Vergangenheit bereits häufig von größeren Firmen übernommen sahen – Dropbox ist ein solcher Kandidat. Das Produktivitäts-Bundle komplementiert Dienste, die ihr Geld anders verdienen. Vielleicht wird aber auch ein nächstes Basecamp daraus, wer weiß.
Egal wie die Geschichte für Quip ausgeht, mir erscheinen die 15 Millionen US-Dollar an Risikokapital, die das elfköpfige Team bislang einsammelte, als clever investiert. Hier entsteht a) sichtbar gute Software für einen b) Markt der überschwemmt wirkt, aber immer noch neue Ideen aufsaugt. Von Quip hören lesen wir noch.