„Block the noise“
Ich liebe die Verzweiflung, den blanken Wahn, in den sich Mitbewerber aber auch Kunden mit jeder neuen Apple Produktveröffentlichung stürzen. So hat Samsung beispielsweise aufgehört die eigenen Geräte zu vermarkten und produziert jetzt nur noch Werbespots, die sagen: „Das hatten wir schon vor vier Jahren!“
Vergessen sind alle anderen Gerätegrößen und Features, die komplett gegen die Wand fuhren (Smart Scroll, Air gesture, etc.).
Das alle Produkte, die Apple im Moment verkauft, gleichzeitig auf dem Schreibtisch von Charlie Rose Platz finden würden, treibt Leute in den Wahnsinn, weil diese Geräte sich eine Aussage anmaßen. Eine Aussage über Ästhetik, Style und Fashion (aber nicht in tausend Variationen kommen). Dieses Jahr lautet die Aussage fürs iPhone: „Bigger than bigger“. Damit kann nicht jeder umgehen.
„We could have done a large iPhone years ago“, sagt Tim Cook und niemand, der auch nur annähernd informiert die Szene verfolgt, bestreitet das. Was sich Apple spart, nicht der Erste, sondern der Beste zu sein, sind Flops. „We ship things when they are ready“, lässt sich über jedes iPhone sagen, aber nicht über jedes Samsung, jedes Sony oder jedes HTC.
Apple macht Sie verrückt
„Aber Steve hat doch gesagt…“ sind einleitende Sätze von Kritik, die nicht unterscheidet zwischen Produkt-Fokus und Reklame-Statement. Jobs war es nie wichtig einen spontanen Marketing-Slogan Jahre später widerlegt zu bekommen. „You can’t get your hand around it. […] No one’s going to buy that“ war seine Aussage über Smartphones größer als das iPhone 4. Als ‚Dead on arrival‘ bezeichnete er 7-Zoll-Tablets während er selbst am iPad mini arbeitete.
Kursanpassungen, sich Trends im Markt hinzugeben (und damit auch Fehler einzugestehen), ist wichtiger als das Geschwätz von gestern. Apple setzt ab und an echte Trends, Trends, die den Markt umkrempeln. In genau so vielen Fällen schwimmt die Firma auch nur mit. Niemand kennt die exakte Strömung oder das zukünftige Kundeninteresse. Dass sie diese notwendigen Kurskorrekturen nie öffentlich eingestehen (genauso wie keine andere Firma mit Börsenwert, Aktionären und Stolz), erzürnt mit erstaunlicher Regelmäßigkeit ein paar Köpfe.
Nehmen wir die NFC-Nummer; seit 2011 eine mögliche iPhone-Komponente. Vorletztes Jahr sagte Phil Schiller: „It’s not clear that NFC is the solution to any current problem. Passbook does the kinds of things customers need today.” und behielt recht (während er weiter an dem damals noch unveröffentlichten Apple Pay arbeitete. Jener Technik, die diese drahtlose Schnittstelle nun nutzt).
Mit der Beschreibung „Block the noise“ kommentiert Tim Cook seine CEO-Fähigkeit auf das übergeordnete Bild zu schauen, anstelle sich in Grabenkämpfen zu verlieren. Dazu gehört auch, eine Handvoll Tech-Hipster auszublenden, die der kostenlose Album-Download von einer der weltweit bekanntesten Bands nicht gefällt. #U2gate ist natürlich nicht ernst zu nehmen, zeigt aber relativ brilliant, wie absurd Apple auf Schritt und Tritt wahrgenommen wird.
Um die Qualität der Produkte hoch zu halten, steht Apple – genau wie die Konkurrenz – vor der Herausforderung, nicht jeder Kritik nachzugehen, weiterhin Entscheidungen für Kunden zu fällen und so schlussendlich auch bestimmte Käuferschichten auszuklammern.