Lasst das doch Anwälte klären!
I get it: Ein Bundestrainer steckt ja irgendwie in jedem von uns.
Der juristisch verfügte Verkaufsstopp von Apple für Samsungs Galaxy Tab 10.1 erregt die Gemüter. Und auch Motorolas Xoom, eines der bereits ausgemusterten Nulpen-Tablets aus der Android-3.0-Startphase, scheint betroffen. Das die Welt ohne einen solchen Rohrkrepierer ohnehin besser dran gewesen wäre, interessiert hier jedoch nicht. Die Fan-Parolen gegen Apple und das iPad grölt man doppelt so laut einfach trotzdem mit.
Vergessen wird: Patentstreitigkeiten, Geschmacksmuster und Einstweilige Verfügungen sind kein Fußballspiel. Wer bei diesen Themen blind für nur eine Seite trommelt, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch. Über ein gepfiffenes Abseits lässt sich in bester Stammtisch-Manier streiten, über ‚Gemeinschaftsgeschmacksmusterverletzungen und unlauteren Wettbewerb mit vorläufig geschätztem Streitwert von zwei Millionen Euro‚ eher schwieriger.
Ich habe mir das diskutierte Community Design 000181607-0001 angeschaut. Bis auf ein paar Bilder gibt’s da jedoch nicht viel zu sehen. Welche Risikobewertung, Auflagen und Pflichten mit einer Einstweilige Verfügung einhergehen, kann ich nachlesen. Verstehen muss ich’s trotzdem nicht. Ich behaupte jedoch auch nicht, die juristische Situation bewerten zu können. Wenn sich dies andere Leute zutrauen, die nicht aus diesem Fach kommen oder im unmittelbaren Kontakt dieses Prozesses stehen, finde ich das…mutig.
Mir geht’s darum, erwachsene Firmen ihre erwachsenen Spielchen spielen zu lassen. Warum muss es gleich so emotional werden? Es handelt sich um Konzerne, die sich mit viel Geld große Rechtsstreitigkeiten liefern. Bemitleidet werden muss aus diesem Kreis sicherlich niemand.
Um ein Beispiel zu nennen: Nichts könnte mich weniger aufregen, als die vereinbarten Lizenzzahlungen von Apple an Nokia. Das Hin und Her zog sich über mehrere Jahre, mit mehreren juristischen Bergetappen und gegenseitigen Scharmützeln bei der internationalen Handelskommission – inklusive Aufforderungen zum Verkaufsstopp der Telefone in diversen Ländern.
Die ‚aufwühlende‘ Streitigkeit endete mit einer einseitigen Presseerklärung, die in puncto Spannung nicht über das Unterhaltungsniveau von Barbara Salesch hinausschoss.
Zugegeben: Lizenzzahlungen sind vielleicht leichter auszuräumen, als abgekupferte Gehäusedeckel. Zumindest habe ich das gelesen. Wissen tue ich es nicht.
Die aktuelle Diskussion einiger Hitzköpfe zeigt, dass es im Trend liegt, auf einen Branchenprimus einzuhauen. Auch wenn man keine Ahnung hat, lässt sich aus den Faktoren a) hohes Barvermögen b) eingeleitete Klage Beschwerde und c) unangebrachte Pseudo-Fairness ein Luftschloss aus Meinungen bauen.
Aber warum springen wir nicht gleich einen ganzen Schritt weiter? Apples aktive Behinderung vom Galaxy Tab in der Europäischen Union dient nur dazu, potenzielle Marktneulinge abzuschrecken. Selbst wenn Apple in ein paar Monaten die Düsseldorf-Verfügung mit Strafzahlung um die Ohren gehauen bekommt, ist das Ordnungsgeld um Dimensionen geringer als die erzielte Konkurrenz-Einschüchterung. Nicht zu vergessen: Apple kann es sich leisten.
In welcher Trickkiste versteckt sich eine solche Theorie bei den selbsternannten Web-Winkeladvokaten?
Richtig! Der mitdenkende Leser erkennt, dass eine Vermutungen dieser Art keiner Überprüfung standhält. Genau deshalb drischt man mit weniger präzisen Phrasen (gerne gesehen sind Schlagwörter wie ‚Innovationen‘ und ‚Marktschädigung‘) ins Blaue. Das klingt einfach immer gut, auch wenn ein Bezug zum juristischen Spannungsfeld meist unberührt bleibt.
Wieso konzentriert sich die Technikpresse nicht auf ihre Kompetenzfelder sondern unterwandert den eigenen Sachverstand mit einer Diskussion, die sie in ihrer Komplexität nicht überschaut? Um’s deutlich zu sagen: Auch ich finde es bitter, das eines der derzeit vielversprechendsten Android-Tablets, hierzulande nicht im Verkauf ist.
Was jedoch noch mehr nervt ist die Überbewertung von juristischen Streitereien, Inkompetenz, die sich durch fehlenden Blick über den Tellerrand auszeichnet und erzwungene Teambildung, die lieber einer Firma den Rücken stärken als dessen Produkt.
Im Fußballstadion ist sowas okay, da will ich meine Mannschaft auch gewinnen sehen. Beim Technik-Kick muss allerdings mein Spielzeug am meisten Spaß bereiten.