Zurücklehnen! Hier kommt die neue Anwenderfreundlichkeit.
Vor 10 Tagen löschte Google per Fernzugriff 58 Android-Apps, die ‚Rootkit-Unfug‚ auf zirka 260.000 Geräten trieben. Die Virus-Programme standen unter verschiedenen Bezeichnungen im offiziellen Android Market zum Download. Googles Säuberung von der Schadsoftware ‚DroidDream‚, die sich an UserIDs, IMSI- und IMEI-Nummern bediente sowie die infizierten Geräte mit größtmöglichen Zugriffsrechten ausstattete, wurde mit einer E-Mail an die betroffenen Nutzer vorbereitet.
Over the next few hours, you will receive a notification on your device that says “Android Market Security Tool March 2011” has been installed. You are not required to take any action from there, the update will automatically run. You may also receive notification(s) on your device that an application has been removed.
Nach einer Bezeichnung für die ‚Entfernung aus der Ferne‚ musste man nicht lange suchen. Über Apples ‚Kill Switch‘ spricht man seit 2008. Jonathan Zdziarski brachte den iPhone-Mechanismus ins Gespräch; Steve Jobs bestätigte ihn gegenüber dem Wall Street Journal. Zum Einsatz kam er bislang nicht. Google löschte dagegen bereits zuvor.
Trotzdem. Eine Aufrechnung liegt mir genauso fern wie die Diskussion um offene und geschlossene Systeme. Wie sicherlich jeder der hier mitliest weiß, liegt der größte Unterschied zwischen beiden Stores in dessen Zugangsberechtigungen. Ein beliebter Ausgangspunkt für Grundsatz-Debatten. Dabei fallen bildhaft beschriebene Standpunkte, wie beispielsweise ‚Gefängnisse‘ oder ‚diktatorische Staatensysteme‚, mit denen der App Store gerne verglichen wird, leider viel zu eindimensional aus. Menschen scheinen keine Freiheit zu mögen, wenn dies mit Eigenverantwortlichkeit verknüpft ist. Oft ist es eine Frage der Bequemlichkeit, sich nicht von Facebook und Twitter abzumelden, um seine sozialen Netzwerke eigenständig auf gemeinfreie Plattform-Beine zu stellen. In vielen Bereichen scheinen wir uns gerne einschränken zu lassen, um beispielsweise Komplexität zu minimieren.
Zuletzt kritisierte Wikipedia-Gründer Jimmy Wales die neuen ‚App-Welten‘, die ein „threat to a diverse and open ecosystem“ sind. Und ich finde, er hat Recht. Aber nicht in einem Ausmaß, das eine ‚Entweder-oder-Lösung‘ zwangsläufig erfordert. Ja, ich hätte gerne die Möglichkeit, Applikationen direkt aus dem Netz anstelle eines Stores zu laden. Ich möchte jedoch außerdem niemanden missen, der vorher mal einen Blick drauf wirft und schadhaften, gefährlichen oder einfach nur schlechten Programmcode aussortiert.
Lässt sich mit dem Blick auf Googles Android Market und Apples App Store ein solcher Kompromiss überhaupt erreichen? Die Wikipedia, um noch einmal kurz auf Jimmy Wales zurückzugreifen, hat mit den ‚unmarkierten‘, ‚gesichteten‘ und ‚geprüften‘ Artikelversionen eine solche ‚Qualitätskontrolle‚ in Stellung gebracht. Abgeschlossen ist die jahrelange Diskussion um die Kennzeichnungen jedoch noch (lange) nicht.
Zum Start des App Stores hätte ich nie vermutet, dass dieser geschlossene Politik-Ansatz funktioniert. Mit ‚funktioniert‘ beziehe ich mich auf überschaubare Testzeiträume, Fehlerquoten und natürlich die Akzeptanz von Benutzern. Mir kam die Anzahl der prasselnden Programm-Veröffentlichungen als nicht annähernd zu bewältigen vor. Die verhältnismäßig wenigen Ausrutscher (Ninjawords Dictionary, Eucalpytus, etc.) sowie förderlichen Aspekte dieser Herangehensweise scheinen für die meisten seiner Nutzer jedoch annehmbar. Ich empfinde es von Zeit zu Zeit beinahe als faszinierend, was für einen Schrott den Apple-Mitarbeitern vorgelegt wird und dann im Store landet.
Vor einiger Zeit stieß ich durch eine Leserzuschrift auf ‚Sexy Spinner‚ (absichtlich ohne Link) – eine grausame für menschliche Augen verachtende Version von Flaschendrehen mit ‚obszönen‘ Möchtegern-Sprüchen. Neben einer gewissen Bewunderung für das Prüf-Kommando des App Stores bei solchen Einreichungen, fühle ich mich andererseits fast beleidigt. Eine Verkaufs-Vollmacht bedeutet, dass dieser Titel tatsächlich auf ein paar armen iPhones landet. Glücklicherweise ist damit nach 2.5 Jahren digitaler Software-Distribution ebenfalls die Aussage verbunden, dass keine Zensur inhaltliche Bewertung einhergeht. Sicher. Ausnahmen und unterschiedliche Wertvorstellungen bestätigen die Regel.
Am Android-System missfällt (mir), dass es im Grunde keine Weiterentwicklung darstellt. Bereits vor 10 Jahren mussten wir uns damit herumschlagen welche Software-Version wir betreiben, aus welchen Quellen man besser keine Programme installiert und wie dessen Wartung über die Bühne geht. Das alles sind Fragen, mit denen sich Technik-Fans (zum Teil) gerne auseinandersetzen. Aber irgendwie muss es doch vorangehen? Unsere (Groß-)Eltern sind nur ein keiner Teil von diesem neuen Zielpublikum, dass ich mir am Zahn der Zeit wünsche. Schon deshalb, weil man sich damit geschickt, noch vor Ablauf des fast vergessenen Geburtstages, mit einer SMS, E-Mail oder dem klassischen Facebook-Eintrag aus der Affäre ziehen kann.
Ehrlich gesagt fühle auch ich mich mittlerweile auch zu alt dafür, an der Installieren von Viren-Scannern und Anti-Phishing-Systemen Freude zu empfinden.
Im Android Market zeigen sich unter dem Suchbegriff ‚DroidDream‚, die von Google ferngelöschte Schadsoftware, ein Duzend Treffer. Hinter den Artikeln verbergen sich Programme, die sich der aufgerissenen Lücke annehmen wollen. Google selbst gibt in ihrem Blogbeitrag jedoch an, auf die ‚befallenen‘ Telefone automatisch ein Sicherheits-Update nachzuschieben. Aber was ist, wenn ich mir das ‚DroidDream‘-Ungeziefer über eine Installation aus dem Netz eingefangen habe?
Wühlt man sich fleißig durch Foren und Blogs, stellt sich (schnell) heraus das Android-Firmware 2.2.2 und 2.3 überhaupt nicht betroffen waren. Bleibt die spannende Frage: „Welche Version betreibe ich? Und seit wann?“. Menschen fliegen zum Mond, aber Otto-Normal-Verbraucher muss sich zum Schutz seiner persönlichen Daten mit Build-Nummern herumschlagen? Ernsthaft?
Ich kann sehr gut verstehen, dass einige Nutzer die ‚komplette‚ Kontrolle über ihr Gerät nicht aufgeben möchte. Akzeptiert. Einverstanden. Aus ganz persönlicher Perspektive habe ich mich für meinen Teil jedoch entschieden, auf ‚Spielereien‘ bei Soft- und Hardware nur dann zurückzugreifen, wenn ich auch Lust darauf habe. Der andere Quatsch fliegt raus. Sonst geht’s ja irgendwie nicht voran.