Kampf der Präsentations-Kulturen
David Pogues Motorola Xoom-Review wäre mir im Zuge der iPad-2-Berichterstattung fast entgangen. Doch genau diese Steve Jobs Keynote war es, die dem Konkurrenten wieder erstaunlich viel Rampenlicht einräumte. Vom „Year of the copycats?“ war dort zu lesen und hören. Selbst langjährigen Apple-Beobachtern stießen die ‚zahlreichen‘ Worte über iPad-Mitbewerber ins Auge. Unpassend? Selbst für eine eigene Werbeveranstaltung?
Der im Anschluss hauptsächlich ‚kritisierte‘ Ausschnitt samt Präsentationsfolie dauerte 30 Sekunden (Videominute: 15:15 bis 15:40) – dabei sind einzelne Erwähnungen über das Mitstreiter-Preisgefüge, die verfügbare Software, den 90-prozentigen Marktanteil sowie das „First dual core tablet to ship in volume“ nicht mitgerechnet.
Neben einigen journalistischen Totalaussetzern trat maßgebend Seth Weintraub für Fortune Tech mit einem provokanten Artikel über Jobs „Realitätsverzerrung“ in den Mittelpunkt.
Apple twisted facts and used an erroneous quotation to try to convince crowds that all other tablets had no shot at de-throning the iPad in 2011.
I have a lot of respect for Steve Jobs and Apple’s products. It’s just a shame that all the truth-bending destroys the keynotes.
Mit seinen ‚Analysen‘ rechnete Daniel Eran Dilger vom RoughlyDrafted Magazine in einem breiten Rundumschlag anschließend ab.
Business Insider rückte die kritisierte Marktdominanz wenig später in eine bestätigende Perspektive.
For 2010, […] I calculate that Apple sold approximately 12 million iPads, with Android selling 0.7 million tablets and 0.1 million “other” tablets sold to consumers, giving iPad approximately 95% market share for 2010. Steve Jobs wasn’t far off with his 90% iPad market share statement.
Und auch Philip Elmer-DeWitt, aus dem eigenen ‚Fortune-Tech‘-Haus, straffte die Falten des Samsung-Zitats.
Jobs was wrong to misquote Samsung’s vice president, and to milk it for the laughs he got. But his remark afterward — „So a lot of these [Galaxy Tabs] were probably on the shelf by the end of the year“ — wasn’t that far off the mark.
Bleibt einzig die Behauptung vom „ersten Dual-Core-Tablet, das im großen Umfang ausgeliefert wird“ (Hervorhebung von mir) übrig. Wobei die Wortwahl „großer Umfang“ eine simple Frage der (eigenen) Perspektive darstellt. Apple geht für die eigene Rechnung von 15 Millionen verkauften iPads innerhalb der ersten neun Monate aus. Ob das ‚Dell Streak 7‚, welches als Beispiel von Weintraub herangezogen wurde, ebenfalls die Beschreibung „in volume“ erfüllt, bleibt eine offene Definition.
Oder um einen Leser-Kommentar unter dem Meinungsbeitrag zu zitieren:
Hardly anyone buys the Dell Streak 7 nor the Xoom. To Apple, „volume“ means MILLIONS, not hundreds. SURE, you can say the ZUNE also ships in „volume“ – but then hardly anyone has a Zune. Apple is right – the iPad2 will be the only tablet to ship in volume – as in MILLIONS of tablets, not hundreds.
Insgesamt betrachtet bleibt es immer ein zweischneidiges Schwert, eine möglicherweise schlechtere Mitbewerber-Situation in die eigene Präsentation aufzunehmen. Einerseits will man Überlegenheit demonstrieren, andererseits macht man sich damit selbst angreifbar. Irgendeine Meinung muss man der versammelten Presselandschaft jedoch auftischen, die später über News-Frequenzen getrommelt werden soll.
Im Gegensatz zu manchem Konkurrenz-Produkt bin ich jedoch heilfroh, dass Apple es für sich selbst nicht als notwendig erachtet, kostspielig produzierte Werbespots (vermeintlichen) Mitstreiter-Schwächen zu widmen. Wie ‚fair‘, ‚ausgewählt‘ und ‚objektiv‘ die Jobs Kommentare ausfielen, soll jeder für sich selbst beurteilen.