‚VLC Media Player‘ als App-Store-Version gefangen zwischen Lizenz-Fronten
26. Oktober 2010. Große Aufregung in der Open-Source-Gemeinschaft rund um den populären ‚VLC Media Player‚: Nachdem am 21. September die iPad-Version und am 25. Oktober das ‚Universal-Paket‘ der populären Medien-Abspiel-Software den App Store erreichte, sendete einer der VLC-Hauptentwickler eine formale Copyright-Verletzung an Apple mit der Bitte, die Anwendung wieder aus dem Download-Angebot zu entfernen.
Vorweggeschickt werden muss, dass nicht das Open-Source-Team des plattformübergreifenden Programms den iOS-Ableger schusterte, sondern sich eine französische Firma namens Applidium dafür verantwortlich zeigte.
Der Mann, der die Beschwerde an Apple als (aktuellen) Software-Distributor von VLC (kostenlos; App Store-Link) schickte, nennt sich Rémi Denis-Courmont*, ist Franzose und arbeitet seit mehreren Jahren in Finland. Ich traf am gestrigen Donnerstag Rémi Denis-Courmont zu einem Interview, um mir die verworrenen Lizenzdiskussionen erklären zu lassen.
Das Grundproblem, welches sich in unzähligen Foren-Debatten, Blog-Kommentaren und über Mailinglisten erstreckte, ist auf die verwendeten Lizenzen zurückzuführen. VLC steht unter der freien GNU General Public License (GPL), die nicht mit den App-Store-Bestimmungen von Apple vereinbar sein sollen. Rémi Denis-Courmont prangert an, dass Apples Fairplay-DRM, welches eine Installation der Software mit einem einzigen Benutzerkonto auf ‚lediglich‘ fünf Endgeräte reduziert, nicht mit der ‚freien Kopierbarkeit‘ vom VLC-Projekt einhergeht. Als noch schwerwiegenderen Knackpunkt sieht er die Unvereinbarkeit der „kommerziellen“ beziehungsweise „nicht kommerziellen“ Verwendung“, in denen sich der Software-Verkäufer Apple von der GPL-Lizenz abgrenzt.
Cupertino sagt: „(i) You shall be authorized to use Products only for personal, noncommercial use.“ während die GPL-Lizenz festhält: „You are allowed to sell copies of the modified program commercially, but only under the terms of the GNU GPL„.
Nur um das noch einmal klarzustellen: Als ‚Products‘ bezeichnet Apple alle App-Store-Anwendungen, die nur für den ‚persönlichen Gebrauch‘ einzusetzen sind. Das gilt sowohl für E-Mail-Programme, Twitter-Clients wie auch Medien-Player, obwohl eine ‚Kontrolle‘ in der Praxis (natürlich) ausbleibt.
Wichtig zu wissen: Das US-App-Store-Prozedere reagiert erst auf explizite Benachrichtigung für Copyright-Verstöße oder Lizenz-Probleme und steht nicht im Zusammenhang mit dem (technischen) Genehmigungsprozess. Für offensichtliche Verstöße mag das anders sein. Generell gilt jedoch die ‚Takedown Notice‘, wie sie jetzt von Denis-Courmont übermittelt wurde, unter dem Digital Millennium Copyright Act. Um sich in kein juristisches Schussfeld zu begeben, antwortete Cupertino (wahrscheinlich) nicht im Vorfeld auf Denis-Courmonts E-Mail-Anfrage, mit der er ein Statement zur Lizenz-Problematik forderte. Mit einer schriftlichen Antwort hätte man sich im Zweifelsfall (später) angreifbar gemacht.
Aber auch die offizielle ‚Takedown Note‘ muss nicht unbedingt beachtet werden, da die Chancen einer Klage – dem normalerweise nächsten Schritt – bei einem freien Softwareprojekt ohne finanzstarke Zugkraft, sehr gering ausfällt. Daher ist weiterhin offen, ob Apple 11 Tage nach der Übermittlung überhaupt noch in irgendeiner Weise reagiert.
Nach dem öffentlichen Bekanntwerden über die Zustellung der ‚Takedown Notice‘ Anfang dieser Woche, verbreitete sich rasant die Annahme Apple würde die Software aus eigenem Schutz sofort aus dem App Store entfernen. So flog‘ beispielsweise das GNU-Go-Projekt unter GPL-Lizenz im Mai 2010 aus dem Download-Portal.
Trotzdem. Beide hier angesprochenen Regelwerke enthalten diverse Interpretations-Ansätze, über die sich Anwälte sicherlich jahrelang den Kopf zerbrechen können. So führen die aktuellsten App-Store-Bestimmungen beispielsweise den folgenden (neuen) Passus ein, mit dem Jean-Baptiste Kempf, ebenfalls ein VLC-Entwickler, die Frage aufwirft in welchem Kräfteverhältnis die App-Store-Restriktionen mit den Software-Lizenzen der Anwendung stehen.
Viele Leser, die mit der simplen ‚Aufreger-Meldungen‘ über eine VLC-App-Store-Verbannung Anfang November konfrontiert wurden, riefen (neben persönlichen Hasstiraden) spontan nach dem ‚greater good‘ – ‚dem Interesse des Gemeinwohls‘. Relativ direkt sagen sie damit: „Vergessen wir mal die Lizenzen (und die Entwickler-Rechte), Hauptsache VLC bleibt im App Store“. Nach gesundem Menschenverstand kann aber auch das keine favorisierte Lösung sein.
Ausgang ungewiss. Apples Lizenz-Regelwerk ließe sich ohne Frage entschlacken und zumindest ‚GPL-freundlicher‘ gestalten. Das Interesse daran darf jedoch als gering eingeschätzt werden. Für das VLC-Projekt scheint es unrealistisch, von den mehreren hundert beteiligten Entwicklern, welche über die letzten Jahre der Codebasis beisteuerten, Genehmigungen für den App-Store-Vertrieb einzuholen. Ob Apple, ähnlich dem zukünftigen Software-Vertrieb vom Mac-App-Store, mit alternative Installationsmethoden über das (ungefilterte) Netz, auch auf dem mobilen Gerät Gebrauch macht, bleibt derzeit noch (weit entfernte) Zukunftsmusik. Ohne Frage: Das würde viele der Lizenz- und Genehmigungsprozesse lösen, aber auch unleugbar neue (Sicherheits-)Fragen aufwerfen.