[update] Auf- und Anregungen im App Store
Erneut sprudeln die App Store-Emotionen über. Der Apple-Genehmigungsprozess biss (anscheinend) in der abgelaufenen Woche kraftvoll zu und verputzte Programme mit angedeuteten, implizierten bis eindeutigen Erotik-Inhalten. Jon Atherton, Entwickler hinter Wobble iBoobs startete am vergangenen Freitag den Meinungs-Diskurs, der daraufhin über das Internet hereinbrach.
Atherton legte bereits am Sonntag nach und spricht von derzeit 5.000 ausgeschlossenen Anwendungen. Des Weiteren veröffentlichte er die (angeblich) von Apple (ihm gegenüber) kommunizierten (neuen) Richtlinien. Weitere Entwickler meldeten sich zu Wort. Sowohl die Store-Disqualifizierungen, als auch die (veränderten) Verordnungen, führen zu allumfassenden Diskussionen.
Gegenüber dem iPhoneBlog meldeten sich am Freitag auch zwei deutsche Entwickler, die aktuell mit dem vierten Ablehnungs-Durchlauf ihrer Programm-Einsendung kämpfen. Die Anwendung ‚Wonderfull‘ erhielt neben einem persönlichen App Store Mitarbeiter-Anruf auch detaillierte Erklärungen über die Zurückweisung. Dabei sollen ‚unzulässige‘ Stichworte im Beschreibungstext und zu ‚obszöne‘ Silhouette-Darstellungen eine Genehmigung verhindert haben.
Die anstehende Anwendung lässt – ähnlich wie Wobble – ‚Dinge wackeln‘. Die ‚anregenden‘ Möglichkeiten des Programms, die durch Foto- und Text-Erläuterungen in der App Store-Beschreibung versucht wurden zu implizieren, gelten explizit als Reklamationsursache.
Die zügige sowie unmissverständliche Kommunikation vom App Store-Prüfer gilt nach Aussage der Entwickler als tadellos. Für die letzte Bemängelung (oben im Bildvergleich), gab es bereits nach zirka vierundzwanzig Stunden eine Rückmeldung. Jedoch gestaltet sich der Genehmigungsprozess nicht unkomplizierter, dass beinahe jede Vorlage von anderen Mitarbeiter unter Beobachtung genommen wurde.
Moralvorstellungen
Der Umstand, dem diese Diskussion zugrunde liegt, ist ein alter Hut alles andere als neu. Es geht einmal mehr um die Richtlinie, die Apple den seinen App Store-Programme auferlegt. Als mit Firmware 2.0 der App Store sein Debüt feierte, umriss Steve Jobs das Reglement so:
Eine transparente Dokumentation, wer welche Chancen für eine Veröffentlichung seines Programms sieht, steht bis heute aus. Während viele Entwickler ‚das Unvorhergesehene‘ (engl. ‚Unforeseen‘) als kritischsten Punkt deklarierten, unterliegen auch die anderen ‚Leitfäden‘ einem breiten Interpretationsspielraum. Die jetzige Debatte um ‚Pornografie‘ genießt in unterschiedlichen Kulturkreisen, Ländern, Kommunen und sogar Altersstufen eine divergente Anschauung. Schon das intendierte Verständnis gestaltet sich teils komplett andersartig: Eine digitale Ausgabe von ‚Mein Kampf‘ (in spanischer Übersetzung) hätte es mit einem deutschen App Store-Prüfer sicherlich nicht durch die Zulassung geschafft, bis es nach einigen Tagen wieder entfernt wurde.
Die Diskussionsteilnehmer vermuten für den jetzigen Apple-Kahlschlag eine Beeinflussung der Interessengruppe ‚Parents Television Council‘, die sich in den USA für ’sehr restriktive‘ Moralvorstellungen in Funk und Fernsehen einsetzt. Ihre Kampagne ‚Stop Apple Providing Porn to Kids‚ soll die unzähligen Bikinianwendungen ins Schuss- und Blickfeld rückten. Apple versucht derzeit alleine mit der Vergabe von Altersangaben für App Store-Anwendungen dem Problem zu begegnen. Leider erfolglos. Viele Anwendungen, die auf das Internet zugreifen (Stichwort: Wikipedia), erhalten eine hohe Alterseinstufung ‚ab 17 Jahren‚. Die Bezeichnung ‚absurd‘ ist dafür eine grobe Untertreibung.
Durch die alleinige Kontrollinstanz Apple, die als börsennotiertes Unternehmen agiert (agieren muss), dürfen wir uns von der Vorstellung verabschieden, jemals Ruhe in den Prozess der Regulierung zu bekommen. Es gibt keine einheitlichen Vorstellungen von Sittlichkeit oder Wertvorstellungen, die mit dem aktuellen System zu bedienen sind. Wer sich anmaßt zu bestimmen, was ‚App Store-Unkraut‘ ist und was nicht, verliert das Recht eine Zensur zu kritisieren.
Trotz 140.000 Anwendungen ist der App Store immer noch jung und (hoffentlich) offen für Veränderungen. Ob ein Wunsch besteht, dieser Öffnung nachzukommen (beispielsweise mit einer Art ‚Altersnachweis‘ für die Kategorie ‚Erwachsenenunterhaltung‘), bleibt zum jetzigen Zeitpunkt unbeantwortet. Das System kämpf meiner Meinung nach aktuell mit noch viel substanzielleren Problemen wie beispielsweise der komplett kaputten Stichwortsuche. Unter teils skurrilen Schlagworten, findet man im Store ‚die besten Babes in knapper Kleidung‘. Der gegenwärtige Rundumschlag der ‚Aussortierung‘ darf jedoch nicht als simpler Selbstschutz interpretiert werden.
Summa summarum gilt: Es wäre schädlich, wenn die Diskussion um den App Store-Genehmigungsprozess einschläft. Die jetzige (geschlossene) Form verlangt nach einer anhaltenden Debatte, um das breiteste Spektrum an unterschiedlichen Vorstellungen mit einander zu vereinen.
Update
Apples Phil Schiller bezieht in einem New York Times-Interview Stellung zu der großflächigen App Store-Bereinigung, und gibt als Grund für die Programm-Ausschlüsse Kundenbeschwerden an:
It came to the point where we were getting customer complaints from women who found the content getting too degrading and objectionable, as well as parents who were upset with what their kids were able to see.