Tapulous-Chef im Interview: über die Spielwiese App Store und dessen Spielzeug TapTap

Bart Decrem legt sein iPhone bei Tageslicht grundsätzlich selten aus der Hand. Mit dieser aufgeworfenen Behauptung sollte er zumindest über unsere Interview-Zeit im Apple Store München Recht behalten. ‚The Dutchman‘, wie er im amerikanischen Silicon Valley genannt wird, fingerte aufgeweckt, fast neugierig mit zielbewusstem, unabrückbarem Blick, auf einem abgegriffenen 3GS herum. Dabei jongliert der ‚Entrepreneur‘ in den Mittdreißigern das Hundertdollar-Telefon durch die Luft, wie man es nur selten von Besitzern dieser Gerätegattung sieht. Nach wenigen Minuten ist jedoch klar, warum diese flinken Gelenke uns eine musikalische App Store-Fingerübung wie TapTap bescherten.

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Trotz Tapulous-Chefsessel ruht sich ‚Decremental‚ nicht auf den Lorbeeren und dicken Cupertino-Schecks aus. Er ist ein begeisterter Profi seines Fachs. Im Gespräch merkt man nur selten, das einige seiner Antworten ‚geschäfts-konform‘ und nicht zum ersten Mal wiedergegeben werden. „Users love the App Store“ ist eines dieser entwendeten Steve Jobs-Zitat, mit dem Decrem seine Antwort zum Apple-Genehmigungsprozess beginnt. Es ist „nicht alles optimal“ aber „in the big picture“ hat Apple eine „sichere, zuverlässige, saubere und kompatible Benutzerschnittstelle“ geschaffen. Nutzer laden deshalb soviel Programme, weil sich mittlerweile der Gedanke durchgesetzt hat, hier bekommt man „keine pornographische, inkompatible, spy- oder virenverseuchte Software, die dein Gerät beschädigt“.

Geschäftsschädigende Raubkopien seines Rhythmus-Programms, welche derzeit in vielfältigen (Musik-)Geschmacksrichtungen von Gaga über Coldplay bis Metallica vorliegen, fallen nicht unerheblich aus. Dabei gibt es wenig Unterschiede, „ob ein Programm $0.99 oder $4.99 kostet“. Mit zunehmenden ‚In-App-Verkäufen‘ von neuen Song-Paketen ist dies seiner Meinung nach jedoch nur ein temporäres Problem. Bis die Wandlung überstanden ist, hat sich seine Firma ein nettes Konzept überlegt. Schlägt eine TapTap-Programmroutine mit der Hilfe eines Online-Check auf unlizenzierten Code, drückt Tapulous diesem Benutzer haufenweise Klickwerbung hinter die iPhone-Glasscheibe.

Kein Hinweis, kein Aussperren. Einfach viel mehr blinkende Werbebanner. „Benutzer sind und bleiben die wichtigsten Mitspieler“. Die Frage, „wie man Sie zu (zahlenden) Kunden macht, musst du dir selbst stellen und nicht Ihnen“.

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Aktuell spielen zweidrittel seiner 18 Millionen-Kundschaft auf dem iPod touch. „Das, was YouTube für Videos ist, bietet der App Store an Unterhaltung mit Programmen“. Decrem vergleicht die App Store-Spielwiese gerne mit der Google-Videoplattform: Zwei riesige Entertainment-Areal auf denen „gestöbert, ausprobiert, heruntergeladen und weiterempfohlen“ wird.

Mit dem vorausschauenden Blick von einem Jahr in die Zukunft, prophezeit ‚Mr TapTap‘ den überwiegenden App Store-Programmkatalog als kostenfrei mit kostenpflichtigen Zusatzangeboten. Obwohl der Kampf um begehrte Bestenplätze im App Store-Stadium härter wird. „Vor einem Jahre konnte man mit wenigen OpenGL-Kenntnissen ein verkaufsfähiges Spiel auf die Beine stellen“.

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Die „Eintrittspreise“ (cost of entry) ins App Store-Geschäft sind mittlerweile wesentlich höher und erfordern die Aufstellung von sozialen Bestenlisten, Push-Servern und aktuellen Zusatzinhalte. „Das ist vielleicht ein natürlicher Entwicklungsprozess bei der Etablierung einer Plattform, trotzdem wird das Geschäft viel kompetitiver“. Und teurer.

2010 will Decrem mehr Mobilfunk-Plattformen bedienen und sich weiteren Musikentwicklungen widmen. Und das, obwohl er bereits gründlich von seinem persönlichen Droid-Kauf bei Verizon abgeschreckt wurde. „Weder das Mobilfunk-Einkaufsgeschäft noch der ‚Android Marketplace‘ sind Orte, an denen man gerne Unterhaltungsware nachfragt. Dieses Erlebnis hat Apple sowohl im lokalen Geschäft als auch mit dem App Store perfektioniert“.

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Tapulous genießt die luxuriöse Position nicht in Werbung investieren zu müssen und alleine vom Media-Buzz über Twitter, Facebook und Weblogs ihren Marktanteil verteidigen zu können. „Da [persönliche] Mundpropaganda heutzutage digitale Medien verkaufen (oder auch nicht), würde es nicht verwundern wenn Apple seinen 50-Prozent-Marktanteil ohne Probleme auch in Zukunft aufrechterhält“.

Wie sich TapTap’s Erfolge in Zukunft verhalten, hängt unter anderem mit der Musik-Lizenzierung zusammen. Auf Nachfrage verrät Decrem das diesen Geschäftsbereich zwei Personen für Tapulous betreuen. Ein Anwalt und ein Geschäftsmann, die ihn immer wieder daran erinnern, dass „bei all der Mühe und dem Aufwand“ die Musik seine komplette Geschäfts-Grundlage darstellt. „Ohne Musik und ohne neue Songs gibt es kein TapTap“!

Es bleibt abzuwarten was Decrem in den nächsten Jahren noch für uns parat hält. Seine bisherigen Biographie liest sich beeindruckend. Mit 13 Jahren erste DJ-Erfahrungen in Belgien, dann Störenfried in der Schule mit anschließender Anwaltslaufbahn. Nach seiner Co-Gründung von Eazel wanderte nach dessen Schließung die Hälfte seiner Belegschaft zu Apple und stellte das Kernteam der Entwicklungsabteilung vom Safari-Browser. Er hingegen beteiligte sich am Mozilla Firefox-Start und entwickelte dann selbständig den ’sozialen Webbrowser‘ Flock.

„Die Hälfte der TapTap-Anwendung besteht aus Browser-Zeug. Ohne Safari oder Firefox würden wir in einer ganz anderen Welt leben.“ Mit diesen Worten legt Bart Decrem sein iPhone, nur zum Aufstehen von der Genius-Bar aus der Hand, um dann ein wenig reflektierend hinzuzufügen: „Ohne Firefox und Safari wäre auch mein Lebenslauf ein anderer. Und sicherlich auch der vom iPhone.“