Apple Watch geht unter die Haut
BuzzFeed entsendete zwei Journalistinnen zum ‚Spring Forward‘-Event. Ihr Video, inzwischen 1.2 Millionen Mal angeschaut, spaltet die Gemüter.
Tech sites will have a very difficult time adopting a model where emotion is the primary focus of their gadget reviews. If The Verge tried to do an Apple Watch demo like BuzzFeed, their users would rise up in revolt and the reviewer would probably be dismissed (or told to correct the video).
Neil Cybart | „Marketing Implications from BuzzFeed’s Apple Watch Demo Video“
Während die (Technik-)Presse weiter über den Preis und die generelle Berechtigung von Apple Watch streitet – ohne sie (länger als 5min) ausprobiert zu haben, blenden Quinta Brunson und Chantel Houston alle technischen Spezifikationen aus und sprechen mit Bauchgefühl. Journalistisch ist das ähnlich fragwürdig wie jedes ‚Hands-On‘-Review von Produkten, die man zwei Minuten zuvor noch nie gesehen hat. Das BuzzFeed-Video fühlt sich im direkten Gegensatz dazu beinahe ehrlicher an.
„Apple Watch: Braucht kein Mensch“ titelte Stefan Kuzmany für Spiegel Online. Er ist einer von vielen „grummeligen Medienvertretern“.
Die Apple Watch ist seit Jahrzehnten die erste Produktinnovation aus Cupertino, die keinerlei Sehnsüchte auslöst. Über zehn Jahre lang hat uns die Mobilbranche das Tragen von Armbanduhren abgewöhnt, jetzt plötzlich sollen wir uns dieses klobige Teil umschnallen – und trotzdem noch das Handy dabei haben?
Manchmal erschreckt es, wie tief der Zynismus sitzt, mit dem Leute, die Technik (beruflich) beschreiben, sich nicht mehr an neuen Dingen begeistern können. Nichts gegen eine kritische Meinung – ich selbst bin gespannt darauf wohin sich Computer am Körper entwicklen, aber die Reduzierung auf äußere Faktoren (Preis und Verfügbarkeit), genau wie alle absehbaren Weiterentwicklungen (Batterielaufzeit und Größe), vermisst Weitsicht, oder? Warum erzürnen uns immer noch Tech-Specs, obwohl diese Werte schon heute im Alltag kaum noch eine Rolle spielen?
Dazu gesellt sich die Diskussion nach dem ‚Warum‘. Apples Präsentation war (meiner Meinung nach) pointiert, aber auch ich habe die Veranstaltung nicht mit einer „Ach-deshalb-die-Uhr“-Erleuchtung verlassen.
Das Konzept einer Uhr, in einer Welt gefüllt mit Telefonen, die uns ständig die Uhrzeit anzeigen, ist ohnehin vielleicht keine Funktion mehr. Uhren sind Schmuck. Uhren sind Mode. Fashion übersteigt für mechanische Modelle bei weitem ihre Funktion. Wer heute eine Uhr trägt, der ist nicht darauf angewiesen die Zeit davon abzulesen. Die Uhrzeit herauszufinden, ist kein Problem unserer Generation. Man könnte übertreiben und sagen: Unsere Zeit richtet sich nicht mehr nach der Uhr; zumindest nicht nach dem Konzept, das hinter einer Uhr steht. Unsere Kommunikation, unsere ToDo-Apps, unsere Push-Nachrichten und unsere Kalender zerlegen für uns bereits den Tag; sie reservieren Zeiteinheiten, nach denen wir uns dann richten.
Apple Watch ist alles andere als funktionslos. Es ist ein Sportinstrument und bietet die Möglichkeit mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Wer heute noch gegen die Macht von Apps wettet, wird verlieren. Und trotzdem beantwortet Fashion derzeit in erster Linie die Fragen nach dem ‚Warum‘.
Ich schließe mich da nicht aus. Technik hat in meinem Leben einen so großen Anteil, dass sie mich auch optisch ansprechen muss. Das ist eine persönliche Präferenz. Meine Computer brauchen Stil, müssen in meinen Augen hübsch sein, sonst fällt es mir schwer mich damit zu identifizieren, sie (über mehrere Stunden) zu benutzen.
So denkt keineswegs die ganze Technikwelt. Sonst hätten wir Produkte wie [hier den Name von einem hässlichen Netbook einsetzen] übersprungen; sonst hätte der Mac nach meinem Geschmack mehr Marktanteile.
Viele Kunden präferieren eine Gratis-App mit blinkenden Werbebannern über der 2-Euro-Alternative, die mit viel Liebe und Sorgfalt ihren Feinschliff erhielt. Ich halte das für absolut valide und würde mir nie anmaßen über die Vorlieben oder den Geschmack anderer zu urteilen. Wofür wir Geld ausgeben, was einem wichtig ist, ist so unterschiedlich, das wir es uns als Gesellschaft generell sparen jedes Mal neu darüber den Kopf zu verlieren.
Niemand schüttelt den Kopf wenn ich mir Sneaker für über 100 Euro kaufe. Niemand schüttelt den Kopf wenn Nike mir Sneaker für über 100 Euro verkauft. Nichts anderes gilt für die Preise der Apple Watch(-Armbänder). Mode ist ein nachvollziehbarer Grund, eine Betrachtungsweise für die Kaufentscheidung.
„Apple Watch: Braucht kein Mensch“. Die Liste von Dingen, die niemand braucht, ist lang. Disney World, Parfüm und Spiegel Online, die dir sagen was du nicht brauchst. Aber manchmal, ja manchmal ‚gönnt man sich den Spaß‘.
Ich weiß aber schon jetzt: Ohne Funktion hält sich Apple Watch nicht an meinem Handgelenk. Funktionsarmut hat mir die Uhr vor einigen Jahren vom Handgelenk getrieben. Fashion war für mich nicht Grund genug sie zu tragen. Einzig und alleine Funktionen könnten ‚die Uhr‘ wieder zurückholen. Und genau deshalb ist mir schleierhaft, wie man sich an der derzeitigen Ungewissheit, für diesen moderaten – möglicherweise radikalen Wandel, der schon im April beginnt, nicht begeistern kann.