„Ein Messenger, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden“
Viele Artikel sind in den vergangenen zwei Tagen über WhatsApp geschrieben worden. Die überflüssigsten Kandidaten davon tragen das Wort „Alternativen“ im Titel. Machen wir uns nichts vor: Niemand wechselt, niemand löscht nach der Facebook-Übernahme seinen Chat-Account. Instagram hat die Entwicklung, vom Aufschrei über die Empörung bis zum Verstummen, bereits vor zwei Jahren präzise vorgelebt.
Wer schon davor eine offene Diskussion über Sicherheitslücken, eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und das Thema Datenschutz als wichtig erachtete, fand bereits den Messenger seiner Wahl – von (dem meiner Meinung nach sperrigen) Threema bis zur (unpopulären) Direktnachricht im App.net-Netzwerk (beispielsweise über Whisper). Ein Teil der Unzufriedenheit, mit der die 19-Milliarden-Akquisition bei der dominierenden Mehrheit aller Kunden aufgenommen wurde, ist nicht den fehlenden „Alternativen“ geschuldet. Vielmehr ist es das Überangebot.
Fakt ist: Es existiert nicht das eine transparente, quelloffene, bis zur Haarspitze verschlüsselte Chat-System, das gleichzeitig von Millionen Menschen genutzt wird, so dass man dort bereits alle seine Freunde findet. Und die Aussichten auf ein solches System sind illusorisch.
Chat-Dienste kosten Geld; gleichzeitig will niemand dafür bezahlen. Wer erinnert sich noch an den medialen Wirbelsturm, den WhatsApp auslöste, als der Service nach einem jährlichen Euro fragte?
Größter Kostenpunkt des ehemaligen Start-ups waren zu Beginn die SMS-Bestätigungen für eine Anmeldung. In den Dimensionen der Facebook-Tochter spielen derzeit nur WeChat und LINE. Folgt dem plattformübergreifenden Dreiergespann in Zukunft noch jemand?
Koum and Acton were using cutthroat SMS brokers like Click-A-Tell, who’d send an SMS to the U.S. for 2 cents, but to the Middle East for 65 cents. Today SMS verification runs the company about $500,000 a month. The costs weren’t so steep back then, but high enough to drain Koum’s bank account.
Der grundlegende Denkfehler, der derzeit die Gemüter erregt, findet sich im Glauben, mit nur einem einzigen Messenger alle seine Kontakte zu erreichen. „Wenn wir nur den einen Chat-Client bauen, der alles kann, dann…“
„Dann was?“
Nein. Es ist und bleibt immer ein Kompromiss, ein Abwägen. Wie viele Daten stelle ich im Tausch gegen die kostenlose Vernetzung einer Firma zur Verfügung? Wie hoch sind meine eigenen Investitionen für eine sichere Kommunikation? Welches Schmerzpotenzial bringe ich für unbequeme aber sichere Chat-Gespräche auf? Wie viele Sticker-Angebote ertrage ich?
Wichtige Fragen, zweifellos. Ganz ganz ganz vielen Millionen WhatsApp-Nutzern war aber bestimmt die simple Kontoeröffnung, ohne Passwort, sondern über die eigene Rufnummer, viel wichtiger als sie sich anmeldeten. Die Technik-Presse sitzt nicht selten dem Irrglauben auf, dass sich das beste System (mit den meisten Features) durchsetzt.
Was bleibt ist nicht nur der Kompromiss zwischen Chat-Diensten, sondern auch der Kompromiss, gewisse Leute nur über bestimmte Wege zu erreichen. Kommunikationsstränge teilen sich zwangsläufig. Für die Familie sind es bei mir die iMessages; die Podcast-Crew tauscht sich über App.net aus. Ich habe ernsthaft Freunde, die sind nur über Skype-Chat zu erreichen…
Die Empörung der Übernahme von Whatsapp ist daher eigentlich nur der Frust, sich mit den eigenen Kommunikationsgewohnheiten auseinandersetzen zu müssen.