Der Wert von Software
Mit dem bevorstehenden Release neuer iPads kochte erneut die 'Cars vs. Trucks'-Diskussion auf. "Das Tablet ist eine Entertainment-Box! Nein, es ist eine Arbeitsmaschine." Seit 2010 drehen und wenden wir die Argumente.
Nach drei Jahren, fünf Geräte-Generationen und 475.000 Apps erscheint die Beweisführung für die Vielfältigkeit ein wenig…naja…überflüssig. 170 Millionen Kunden haben ohnehin bereits das Fazit vorgegriffen.
Die oben angeführte Analogie entstammt (natürlich) dem D8-Auftritt von Steve Jobs, der sich auch heute noch in voller Länge genießen lässt. Er beschreibt darin den ungemütlichen Wandel für 'uns Alte', die noch mit dem Personal Computer aufwuchsen.
And this transformation is going to make some people uneasy. People from the PC world, like you and me. It’s going to make us uneasy, because the PC has taken us a long ways.
Ich erinnere mich an eine ähnliche Gefühlslage, in der vergleichbar viel Unsicherheit herrschte. Im Sommer 2008 startete der App Store und schon vorher war klar: Software wird nie wieder so verkauft, wie bisher.
Als das Download-Portal öffnete, war die Vertriebsstruktur bereits gelegt und eine psychologische Preisgrenze gesetzt. Wer mehr als 10 US-Dollar wollte, fühlte sich schnell einsam. Entwickler, die vorher Lizenzen für 60 US-Dollar abrechneten (und in den vorangegangenen Jahren mit Upgrade-Preisen jonglierten), konkurrierten plötzlich mit Apps, die einmalig 2 Dollar verlangten. Wie dieser Preiskampf ausging, brauche ich fünf Jahre später nicht mehr auszuführen.
Aber weiter mit Jobs:
We like to talk about the post-PC era, but when it really starts to happen I think it’s uncomfortable for a lot of people, because it’s change, and a lot of vested interests are going to change, and it’s going to be different.
Auf die ungemütliche Realität die 1-Euro-Apps folgte der 'In-App'-Untergang und die Furcht vor Freemium. "Niemand gibt mehr Geld für Software aus!", hieß es gestern und heißt es heute. Ja, nee. Es verteilt sich dieser Tage nur anders.
Das Gejammer der einen Seite lässt sich ignorieren; schmerzhaft ist der Widerspruch von gegenüber. Es ist die (iOS-7-)Diskussion '(kostenpflichtiger) Neukauf vs. (kostenloses) Update', der latent gereizte Formulierungen wie "noch einmal bezahlen geht in Ordnung" oder "4.99 € ist nicht gerade preiswert" anhängen. Mir stellen sich die Nackenhaare auf wenn ich von einer imaginären "Verfallszeit" lese, einer Art gefühlten Zeitspanne, nach der es wieder "okay ist, erneut zu bezahlen".
Software hängt das Image an, nur ein einziges Mal für die Lebenszeit-Lizenz zu blechen. Der App Store trägt daran eine Mitschuld.
Software-Kauf ist aber tatsächlich eine Software-Miete. Man tilgt zwar keine Raten, finanziert aber die notwendige (Weiter-)Entwicklung. Im Gegensatz zu festen Leasing-Verträgen kommt man jedoch a) jederzeit aus der Verpflichtung wieder heraus und b) verbessert sich das Produkt mit fortschreitender Zeit. "Zeigt mir eine bessere 0%-Finanzierung!"
Außerdem ist zu bedenken, dass nur in ganz seltenen Fällen die Entwickler am längeren Hebel sitzen. Heutzutage sind es die Kunden, die Bugfixes und regelmäßige Updates fordern oder mit schlechten Kommentaren drohen. Im härtesten Fall wechseln Nutzer zu einer anderen App. Vor der 'Friss oder Stirb'-Wahl stehen in unseren App-Store-Zeiten (fast) nie die Kunden.
Mitunter fühlt sich dieses Klima toxisch an. Wie oft werden aktuelle Preissenkungen verbloggt und im Artikel drauf über zunehmende In-App-Käufe gemeckert? Täglich.
Software ist kein physisches Produkt, aber häufig viel wertvoller. Und trotzdem möchte niemand zahlen? In Software verbringen wir unseren Tag, knausern aber auch über die nächsten 2.69 Euro. Ich argumentiere nicht über den eigentlichen Preis, sondern den (Stellen-)Wert von Apps, die insbesondere das iPad erst zu einem wertschöpfenden Produkt machen.