Demo-Versionen für App-Store-Apps: Prädikat untauglich
Im App Store gibt es keine Software-Demos – gezahlt wird in Raten oder für die Vollversion. Mittlerweile sind die Hälfte aller iOS-Downloads ‘gratis’. Die Ära der (zeitlich) eingeschränkten Testversionen ist vorbei und kommt auch nicht zurück.
Apples App-Store-Jugendjahre mischten den traditionellen Softwarevertrieb ordentlich auf. Das fehlende ‘Try-before-buy’-Argument, aus dem Schwarzkopierer so gerne eine Art ‘Ausprobier-Anspruch’ ableiten, hat man mittlerweile geschluckt. In-App-Käufe für Extra-Level und Zusatzfunktionen sowie Free2Play überrundeten die (anstrengenden) ‘Lite-Editions’. Eine ernstzunehmende Gegenbewegung ist nicht spürbar.
Das kann frustrieren. Insbesondere weil große Publisher, die mit dem dicken Budget für Triple-A-Games, damit (noch) nicht umgehen können. Deshalb bekommen iPhone und iPad oft nur fiesen Promo-Mist oder eine ‘Companion-App’ anstelle des eigentlichen Blockbusters, der ohne Probleme auch zuerst für iOS hätte erscheinen können.
Dave Addey argumentiert kürzlich: “Apps are too cheap”. Eine seiner Lösungen: zeitbegrenzte Demos. Ich denke, damit liegt er falsch. Jesse Schell zitierte auf der letzten DICE diese Studie (ab YouTube-Minute 10:05):
According to the report, games without a demo or a trailer sold less than 100,000 units on average. Those with just a demo sold about 200,000, those with both a demo and a trailer averaged at around 250,000, while those with only a trailer soared at over 500,000.
Demos helfen Kunden bei ihrem Bedürfnis in Software reinzuschnuppern, sich nur kurz durch die Menüs zu klicken. Es scheint schwer vorstellbar, das Mini-Programme, die 89 Cent kosten und lediglich eine explizite Aufgabe erfüllen, bei Nutzern an ein Zeitlimit stoßen. Mir reichen oft 90 Sekunden um herauszufinden ob eine Anwendung meinen (optischen) Ansprüchen genügt und den (technischen) Forderungen gerecht wird.
Eine Demoversion würde, bestimmt nicht nur in meinem Fall, zu weniger verkaufter App-Store-Software führen. Das ist gut für den Kunden, oder? Ich bin mir da (auch) nicht so sicher.
Spinnt man die Gedankenspirale weiter, verliert ein frisch gestarteter Entwickler damit zuerst die Verkäufe einer experimentierfreudigen Kundschaft. Die Chancen, das ein kleines Team ihre Softwareidee weiter verfolgt, in andere Richtungen denkt, ausbaut und Feedback einarbeitet, sinken. Und genau das beißt wieder alle Kunden – nicht sofort, aber auf lange Sicht.
Nun kann man die Meinung vertreten: “Mir doch egal, Hauptsache ich leiste mir heute keinen Fehlkauf”. Eine Demoversion ist dafür jedoch die sprichwörtliche Kanone, die auf Spatzen schießt. Wer sich vor der Ausgabe von 1.79 Euro umfassend informieren möchte, liest App-Store-Bewertungen, Blog-Reviews, YouTube-Tests und klickt sich durch (teilweise) hervorragende Entwickler-Webseiten, die die meisten Fragen vorab beantworten.
Auch aus Praxis-Perspektive sind Testversionen im iOS-Ökosystem nervig. Abgelaufene Apps, die keine Funktion mehr besitzen weil der Testzeitraum überschritten wurde und deshalb nur noch Homescreen-Platz verschwenden, bieten kein erstrebenswertes Erlebnis. Über ‚Automatische Downloads‘ verteilt sich die funktionslose Software möglicherweise noch auf andere iOS-Geräte; iTunes nervt mit Software-Updates für die bereits abgeschriebenen Apps – Löschen wird Volkssport.
Damit man Datensätzen und Spielstände aus der Demo-Anwendung beim Wechsel auf die Vollversion nicht verliert, benötigt es Upgrades per In-App-Kauf. Zwei separate Apps, eine kostenlose Lite-Version und eine bezahlte Pro-Variante, ändern gegenüber dem bisherigen System absolut nichts. Doch In-App-Käufen erhöhen erneut die Komplexität. Soll der Kunde nach jeder Neuinstallation (nach jedem Gerätewechsel) noch einmal gezwungen werden sein Passwort für die Aktivierung jeder einzelnen Anwendung einzugeben?
Deshalb: Strich drunter! Zeitbegrenzte Demoversionen für preiswerte App-Store-Software sind ihren Aufwand nicht mehr wert.
Ohnehin besitzt Apple simplere Möglichkeiten um a) seinen App-Store-Kunden vor dem Kauf mehr Infos zuzuschieben und b) Entwickler eine effizientere Vergütung zu ermöglichen.1
- Wo ist beispielsweise die direkte Einbindung der externen (Review-)Links oder Entwickler-Videos? Der Empfehlungs-Algorithmus, zu Unrecht als Genius bezeichnet, bleibt (immer noch) weit hinter den Erwartungen – trotz Chomp.
- Eine der gravierendsten Änderungen für Entwickler wären App-Store-Analytics. Woher kommen die Käufer? Wo schalte ich die nächste Werbeaktion? Welches Blog-Review kurbelte meine Verkäufe an. Der komplette Blindflug muss ein Ende haben. Erst dann können wir überhaupt Konzepte wie bezahlte Updates, eine ähnlich diskussionswürdige Baustelle, in Augenschein nehmen.
- Ob Apple den Leidensdruck der Entwickler, die täglich mit iTunes Connect kämpfen, bereits zur Kenntnis nahm und Änderungen ins Feld führt, wird sich in drei Wochen zur WWDC zeigen. Zuletzt kündigte Google mit der Vermittlung von Übersetzungshilfen, gestaffelten Testphasen für Alpha- und Beta-Software sowie neuen Statistik-Tools eine beneidenswerte Software-Bandbreite für Developer an. ↩