Amazon flirtet weiter mit Film, Funk und Fernsehen.
Jeff Bezos präsentierte fehlerfrei. 72 Minuten abgeklärt und einsam auf einer großen Bühne, während die gesamte Technik-Welt zuschaute. Respekt! Nokia und Motorola sollten mal die Aufzeichnung des Kindle-Events studieren und dann hinterfragen wieso ihre Präsentationen so stolperten.
Das Update für den mittlerweile einzigen wichtigen E-Ink-Reader war erwartet und bedarf bei einem Verkaufspreis von 120 US-Dollar keinem Review. Nee, ernsthaft: Das ‚Gadget‘ kann man schon jetzt auf seinen (Weihnachts-)Wunschzettel schreiben (falls es noch nach Deutschland kommt), ohne das das Lesegerät ein Testlabor von innen gesehen hat. Hier macht niemand Amazon etwas vor. Klar, die Hardware mit mehr Pixeln (212 ppi) und einer aufs Display ausgerichteten Hintergrundbeleuchtung beeindruckt, könnte aber auch die Konkurrenz bauen. Es sind die Inhalte, mit denen Amazon seine monopolistische Position für digitale Bücher behauptet.
Zu hoffen ist, dass es die versprochenen Software-Neuerungen, wie beispielsweise die automatische Berechnung der verbleibenden Lesezeit anhand der individuellen Umblättergeschwindigkeit, auch in die iOS-Version schaffen. ‚Whispersync‚, zum Abgleich der Leseposition von Audio- und Textbüchern, wünsche ich mir ebenfalls und unterstreicht: iBooks, du hast aufzuholen!
Nun gut. Kommen wir zum Fire, das Zweidrittel der Sendezeit Vorführung beanspruchte. Das Tablet ist bislang als Kiosk für Prime-Kunden erstklassig vermarktet, spielt jedoch nur mit zweitklassiger Soft- und Hardware. Als Gadget für das amerikanische Amazon-Schaufenster funktioniert es, auch wenn konkrete Verkaufszahlen nicht bekannt sind (die kommunizierten 22-Prozent im US-Tablet-Markt sind natürlich Quatsch). Ein iPad-Konkurrent ist das Fire nicht, lehnt sich jedoch verlegen in diese Richtung. Bislang besetzt es vorbildhaft die Kategorie ‚Media Tablet‚.
Das 7-Zoll-HD mit aggressiver Preismarke von 199 US-Dollar (ab 25. Oktober bei uns für 199 €) lässt alle generischen Ramsch-Androids im Regen stehen. Einzig und allein das Google Nexus 7 hat Chancen darauf, nicht überrollt zu werden. Auch Microsoft dürfte diese Klatsche vernommen haben, die mit ihrem ‚Surface‚ noch keine Preis- und Release-Versprechen machten. Das Zusage, ‚wir orientieren uns an der Konkurrenz‚, entwickelt sich mehr und mehr zu einer echten Herausforderung.
When will we reach the point when the majority of Android devices shipped will not carry any Google properties that make money for Google?
— Kontra (@counternotions) September 7, 2012
Das Kindle Fire HD setzt auf ein aktuelles aber bis zur Unkenntlichkeit modifiziertes Android-OS. Es bleibt durchaus lustig, das Googles eigenes Betriebssystem dafür mitverantwortlich ist, dass sich richtige Android-Tablets nicht verkaufen. Apple und Amazon kommen sich in der aktuellen Aufstellung nicht in die Quere. Apps sind nicht gleich Apps.
If it sells well, developers will rally behind it and the Kindle Fire will start to get the same quality of tablet-optimized apps the iPad currently enjoys. No question.
Ob Amazon überhaupt in diese Richtung überlegt, darf man in Frage stellen. Eine ihrer größten Stärken scheint die Einschätzung der eigenen Möglichkeiten. Deshalb positioniert sich das Fire im niedrigen Preissegment, mit Reklame-Zwang* und Bing als Standardsuchmaschine.
Ein iPad Mini könnte die Dynamik vor Weihnachten noch einmal grundlegend umpolen. Aber so weit sind wir noch nicht. Amazon baut in der bewährten Kindle-Strategie sein Tablet im jährlichen Rhythmus weiter aus. Der Fokus liegt unmissverständlich auf Entertainment und nicht auf der Entwicklung einer neuen Computergeneration, wie sie das Retina-iPad anstrebt.
Jeff Bezos sagte über Apples Konkurrenz: “They’re gadgets and people don’t want gadgets anymore. They want services that improve over time”. Wie bereits betont: Er präsentierte am Donnerstagabend fehlerfrei.
* Update: Für 15 US-Dollar lässt sich die Werbung abschalten.