Sega-Klassiker: Ecco the Dolphin / Space Harrier II

Zu einer absolut allgemeingültigen Weisheit zählt, dass man von Kindesbeinen an, dem Säugetier Delfin eine ganz besondere Wertschätzung zukommen lässt. Nicht zuletzt seit Flipper haben Generationen das gleichermaßen fröhlich wie intelligent wirkende Meerestier in ihr Herz geschlossen. Doch Dank der Videospielschmiede Sega findet dies nun ein jähes Ende.

Der Grund zerstörter Kindheitsträume? Ein pixeliger Delfin namens Ecco auf dem iPhone. Spieleveteranen erinnern sich vermutlich noch mit einem Lächeln im Gesicht an Ecco The Dolphin auf dem Sega Mega Drive oder der späteren 3D-Fortsetzung auf der Totgeburt Dreamcast. Ach, was war das Unterwasser-Abenteuer schön! Aber dass ein Unternehmen, welches seit Jahren auf schamlose Weise einen einst ebenfalls sympathischen Igel ausbeutet und quält, auch vor Delfinen keinen Halt macht, hätte man sich denken können: Eine derart schlechte Portierung hat Ecco definitiv nicht verdient.

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Auf den ersten Blick scheint Ecco the Dolphin eine 1:1-Portierung des Mega-Drive-Klassikers zu sein. Eigentlich gut, oder? Von wegen: Denn Segas Software-Emulator bietet zwar eine auf Standbildern identische Darstellung des Originals, in Bewegung geraten die rasanten Schwimmmanöver aber schnell ins Ruckeln. Wieso man sich einer ‚aufgehübschten‘ Adaption des Klassikers verwehrt, lässt sich nur durch den ungemein praktikablen Sega-Emulator erklären: Vermutlich ließe sich jedes beliebige Spiel mit nur einem Tastendruck in den iPhone-Emulator „spielbar“ portieren und in den App Store hochladen – Retro-Freunde des japanischen Studios fürchten um eine Demontage ihre schönen Erinnerungen.

Spiele wie Monkey Island haben eigentlich mehr als deutlich gezeigt, was man heutzutage erwarten darf. Doch die mangelhafte technische Anpassung ist noch nicht Schwäche genug: Das Steuerkreuz und die drei Aktionstasten auf dem Touchscreen erlauben nur schwammige Flossenbewegungen des Meeressäugers, welche einen allzu oft direkt in die feindlichen Raubtiere manövriert.

Das ist doppelt schade, da Ecco the Dolphin grundsätzlich in hohen Wertungsbereichen mitschwimmt. Das Spiel(-prinzip) hebt sich auf erfrischende Art und Weise vom Jump‘n Run-Einheitsbrei bis zum heutigen Tag wohltuend ab. Vertrackte Levelkonstruktionen laden zum Erkunden des Meeresbodens ein und die etwas esoterische Geschichte sorgt immer wieder für ein Schmunzeln. Dennoch kann ich selbst bei 2,39 Euro keine Kaufempfehlung aussprechen, da die technischen Schwächen und eine verhunzte Steuerung der Umsetzung den Spielspaß verwehren.

So lässt sich als Fazit feststellen: Wer Ecco the Dolphin am iPhone liebt, findet auch Walfang ziemlich prima. Menschen bei gesundem Verstand lassen aber ihre Finger von der App-Store-Version und holen lieber das Mega Drive vom Dachboden.

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Wer dort über ein Modul von Space Harrier II stolpert, sollte sich selbiges ebenfalls gleich unter den Arm klemmen. Denn auch dem Space-Shooter hat Sega eine ‚One-Click-iPhone-Anpassung‘ verpasst. Schon der App-Store-Infotext lässt nichts Gutes vermuten: Im frisch veröffentlichten Remake soll man in ferner Zukunft gegen „zerstörerische, feindliche Kräfte kämpfen“. Zerstörerische Kräfte wie eine technisch-lahmende Umsetzung mit krankendem Spielspaß?

Ganz so schlimm wie befürchtet ist Space Harrier II dann doch nicht. Der Titel leidet zwar ebenfalls am verkorksten Sega-Emulator, läuft aber insgesamt doch einen Zacken flüssiger als Ecco. Verwunderlich, denn Space Harrier II versucht sich bekanntlich an einer ’spacigen‘ 3D-Darstellung, beweist dadurch aber eindrucksvoll, wie unausgegoren Segas Emulations-Software funktioniert.

Auch hier ist das digitale Steuerkreuz leidlich präzise mit den Tasten-Eingaben über den Touchscreen abgedeckt. Leider verdecken die dicken Patschhände viel zu oft gegnerische Projektile. Nichtsdestotrotz macht es Spielehistorikern Spaß, ein 3D-Spiel der Frühzeit anzuspielen. Die, mangels technischer Möglichkeiten der 16bit-Zeiten, karge Spielumgebung mit dem gerasterten Untergrund wirkt heutzutage fast gewollt stilvoll. Das Spielprinzip besteht dabei aus kurzweiligem ‚Ausweichen-und-Ballern‘ – auf App-Store-Niveau zwar wenig innovativ, aber doch grundsolide. Bei einem Preispunkt von 79 Cent kann man als Retro-Fetischist hier zumindest mit leichten Bauchschmerzen zugreifen und einige Minuten Nostalgie verleben. Insgesamt bleibt das Original natürlich besser und flüssiger spielbar und ist bei ernsthaften Absichten einer App-Store-Version vorzuziehen.

Ein insgesamt schaler Beigeschmack bleibt hängen: Segas iPhone-Emulator ist technisch völlig unzureichend, die Spiele ’nur‘ lieblos auf die Plattform ‚gehievt‘ und mehr schlecht als recht mit einer mäßigen Steuerung versehen. Den Nostalgie-Bonus bekommt ein Ecco the Dolphin bestimmt nicht, ein Space Harrier II bedingt. So sollten in letzterem Fall lediglich Fans des Originals für 79 Cent zugreifen.

Alle anderen investieren ihre Euro-Taler lieber in das Porto für einen Beschwerdebrief an Sega. Es wird Zeit, dass man dort die Apple-Spielergemeinde endlich ernsthaft betreut, anstelle mit lieblosen Portierungen die Portokasse aufwerten zu wollen.

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(Danke für diesen Artikel: Matthias!)