Googles Android erhöht die Taktzahl

Die Töne werden härter, das Wettrüsten hat begonnen. Auf der diesjährigen Google-Entwicklerkonferenz ‚IO‚ (YouTube-Link) spuckt der Suchmaschinengigant Gift und Galle in Richtung Cupertino. Das für Apple erschreckende Faktum ist dabei: Mountain View schießt nicht mit leeren Worthülsen sondern fährt richtig gute Antworten auf.

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In den Vordergrund gerückt wird im Mobilfunk-Konkurrenzkampf zwischen dem OpenSource-Betriebssystem Android und dem geschlossenen kontrollierten iPhone OS (natürlich) diese absolut divergente Philosophie. Apple wird im Zusammenhang mit dem Orwell-Roman Nineteen Eighty-Four verglichen.

„A future where one man, one company, one device, one carrier would be our only choice. That’s a future we don’t want.“

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Die Präsentation, die Google für 5.000 registrierte Entwickler veranstaltet, reicht zwar nicht an die Rhetorik eines Steve Jobs heran, wirkt durch wackelige Beta-Software aber offen und ehrlich. Dabei es bei Google vollkommen okay, dass eine Anwendung im Vorab-Status auf der Bühne gerade nicht funktioniert. Die Jobs Zitate sind dagegen vorab zweimal umgedreht und dreimal von der Rechts- beziehungsweise Marketingabteilung abgenickt worden.

Während der Präsentation erlaubte es sich der ‚Sidekick‘ des Referenten, für einen kurzen Lacher, im gezeigten Android-Spiel ein paar Sekunden länger zu verweilen, als der Vortragende dazu etwas zu sagen hatte. Undenkbar auf den staatstragend durchexerzieren Aufführungen der Town Hall oder dem Moscone Center.

Google überträgt seine Keynote außerdem live auf YouTube – 25.000 Zuschauer wurden dabei am ersten Tag gezählt. Das letzte Mal, als Apple eine Keynote als Live-Gig streamte, liegt zirka sieben Jahre zurück!

Diese Offenheit, die Google hier an den Tag legt, macht Spaß. Zumindest wirkt sie authentisch. Natürlich wirft Google jede Menge Geld in Richtung der mehrfach gebauchpinselten Entwickler und stattet jeden Teilnehmer mit einem HTC Android-Telefon aus.

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Aus dem Apple-Feldlager raunt die Mac-Entwicklergemeinde dagegen über fehlende Design Awards für Mac OS X-Programme und zeichnet Telefongespräche über App Store-Ablehnungen (iSlam Muhammad) auf. 180.000 registrierte Entwickler soll die Android-Plattform zählen, welche bislang 50.000 Anwendungen für den ‚Marketplace‘ produzierten. Bei Apple sind die Zahlen umgekehrt verteilt. Hier kommen auf einen Entwicklerkopf durchschnittlich zwei Apps.

Auch Seitenhiebe auf Microsoft konnte man sich nicht verkneifen und führte dessen Webbrowser nicht in der Liste von „moderner“ Software auf. Zum Thema Flash hatte man keine wirklichen Antworten parat sondern tänzelte amüsiert um das Thema herum. Eine kleine (Märchen-)Geschichte über die Tochter des Vortragenden Vic Gundotra lenkte geschickt davon ab, wie die Adobe-Partnerschaft genau aussieht.

Stolpersteine legte man sich selbst, indem Android-Reichweitenzahlen mit AdMob-Statistiken belegt wurden. AdMob gehört bekanntlich seit letztem Dezember zum eigenen Konzern und stellt somit nicht die glaubwürdigste Quelle dar.

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Doch entgegen dieser PR-Ausreißer peitschte man technische Feature-Demonstrationen für die affine Entwicklerzielgruppe durch den Saal. Das angekündigte Betriebssystem-Update Android 2.2, welches unter dem Projektnamen ‚Froyo‘ existiert, hält dabei viele Kleinigkeiten wie Tethering und deren Verwendung als mobilen Hotspot bereit. Als piesackenden ‚(An-)Stubser“ verwendete man (natürlich) ein iPad als Demonstrationsgerät. „Now he’ll go to another device that doesn’t have connectivity. How about that iPad?“

Auch ein JavaScript-Benschmark (SunSpider), auf dem ein hüpfender Android-Frosch dem lahmenden iPad-Pendant davonhoppelt, wurde süffisant so kommentiert…

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Musik.

Ein bisschen untergegangen in der wilden Feature-Aneinanderreihung ist die Google-Akquisition von Simplifiy Media, einem Dienstleister, der die heimische Musikbibliothek (bald) auf das Android-Telefon streamt. Die bislang populäre iPhone-Anwendung findet sich (zumindest derzeit) nicht mehr im App Store.

Apple bediente sich kürzlich in der gleichen Branche beim Anbieter Lala.com und verriegelte bislang lediglich die Türen der Webseite. Kein Wort über dessen Zukunft. Google demonstriert außerdem überlegen eine Synchronisation, genauer gesagt eine drahtlose Verknüpfung von Mobilfunktelefon und Computer. Dabei erklärte man Apple, das es so etwas wie das „Internet“ gibt und iTunes mittlerweile mehr als obsolet ist.

Apples noch nicht gestartete iAd-Werbeankündigung erfährt lediglich ein müdes Lächeln. Nicht ganz unarrogant. Das Google diesen Vorstoß in den eigenen Primärbereich dennoch mit Ernst betrachtet, zeigt die darauf gefolgte Reaktion, in welcher man kurzerhand „interaktive“ Werbebanner aus dem Ärmel schüttelte. Steve Jobs Beleidung „Most Mobile Advertising really sucks“ sitzt wohl doch tiefer, als man zugeben möchte.

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Ohne ein noch größeres Fass mit der Schriftarten-API, dem offenen Videocodec VP8 oder dem Google TV-Konzept aufzumachen: Es steht fest, hier versucht sich jemand in verschiedensten Sektoren extrem breit aufzustellen und hält sich mit einer direkten Konfrontation nicht zurück. Ehrlich gesagt, kann das der jetzigen Situation nur gut tun.

Als HP, Nokia, RIM und Microsoft würde ich mir nach diesen zwei Google-Tagen jedoch ernsthaft Gedanken über meine Zukunftspläne machen…